Text: Medien.Gestaltung

6.3 Ziele und Wirkung von Gestaltung

Wie in der Einleitung beschrieben, können die Ziele bei der Gestaltung eines Mediums sehr vielfältig sein. So können u.a. Funktionalität (z.B. gute Bedienbarkeit, gute Lesbarkeit, Verstehenserleichterung), Ästhetik (z.B. ein bestimmter Stil, dekoratives Aussehen) oder eine bestimmte Symbolik (z.B. Gold als Statussymbolik, ein Vereinslogo als Zeichen der Gruppenzugehörigkeit) das Ziel von Gestaltung sein (Malaka et al. 2009: 375f.). Dahinter steht häufig der Wunsch nach einem hohen Verkaufsgewinn und beruflichem oder privatem Erfolg. Für eine Gestaltung, die besonders auf die Funktionalität des Endprodukts setzt, hat sich der Gestaltungsleitsatz Form Follows Function (die Form folgt der Funktion) durchgesetzt. In Deutschland wurde dies bspw. von der Kunstschule Bauhaus angewandt, die sich durch eine eher schlichte, gebrauchszweckdienliche Gestaltung, den Verzicht auf überflüssige Ornamente sowie die Nutzung neuartiger Werkstoffe und Technologien auszeichnete.

Stop and Think

Schauen Sie sich in Ihrer Umgebung um und überlegen Sie, welche Gestaltungsziele bei den Gegenständen und der Architektur in Ihrem jetzigen Umfeld besonders beachtet wurden.

Die Frage, ob die Ziele erreicht werden können, die mit der Gestaltung eines spezifischen Mediums angestrebt werden, ist seit jeher von großem Interesse. Auf wissenschaftlicher Ebene setzte sich die empirische Wirkungsforschung in den USA in Verbindung zu politischer Propaganda ab den 1920er Jahren mit dieser Frage auseinander. Sowohl aus soziologischer als auch aus psychologischer Sicht ging man damals von leicht manipulierbaren Individuen aus, deren Verhalten (z.B. Kauf- oder Wahlverhalten) vermeintlich durch äußere Reize (z.B. Werbung über das Radio vermittelt) gesteuert werden könnte. Die Annahme, man könne durch Massenkommunikation das Wahlverhalten der Menschen steuern, erwies sich jedoch schnell als überholt und das Reiz-Reaktionsmodell (siehe Abb. 6.1) wurde durch komplexere Kommunikationsmodelle abgelöst.


Das Reiz-Reaktionsmodell zeigt die Begriffe ›Reiz‹, ›Organismus‹ und ›Reaktion‹ nebeneinanderstehend.
Abb. 6.1: Reiz-Reaktionsmodell.


Eins dieser Kommunikationsmodelle kann mit der Frage »Who says what in which channel, to whom, with what effect?« (»Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welchem Effekt?«) des US-amerikanischen Politik- und Kommunikationswissenschaftlers Harold Dwight Lasswell ausgedrückt werden. So werden mit dieser Frage verschiedene Ebenen benannt, die die Wirkung eines Mediums beeinflussen.

Am Beispiel eines YouTubers, nennen wir ihn Florian, könnte die Frage wie folgt nachgezeichnet werden:

Florian möchte ein Video gestalten und auf YouTube veröffentlichen.

  • Wer? (Who?) – Sender*in bzw. Kommunkator*in, z.B. Auswahl der Schauspieler*innen/Sprecher*innen und ihr spezifisches Aussehen, Tonlage, Körpersprache
  • Was? (What?) – Inhalt der Kommunikation/Botschaft und dessen Gestaltung, z.B. Thema, Wortwahl, Kameraeinstellung
  • Über welchen Kanal? (In which Channel?) – Übertragungskanal bzw. Verbreitungsmittel, z.B. YouTube, YouTube-Kanal, Zuordnung des Videos zu einer Playlist/ausgewählten Schlagwörtern
  • Zu wem? (To Whom?) – Rezipient*in, z.B. Alter, Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppe
  • Mit welchem Effekt? (With what Effect?) – z.B. Interesse, Freude, Trauer, Wut
Stop and Think

Stellen Sie sich vor, Sie gestalten eine Einladungskarte für eine Party. Wie könnten die obenstehenden Fragen beantwortet werden?

Obwohl das Kommunikationsmodell noch um weitere Faktoren wie situative und gesellschaftliche Begebenheiten oder die Reaktion der Rezipierenden (im Beispiel z.B. Kommentare unter dem YouTube-Video) ergänzt werden könnte, zeigt es doch bereits viele Parameter, die auf den Erfolg oder Misserfolg einer Kommunikation bzw. einer Gestaltung einwirken können. Gleichzeitig lässt sich anhand dieser Aufschlüsselung erahnen, wie vielschichtig Wirkungen ausfallen können und wie schwer sich Erfolg und Misserfolg auf potenzielle Einflussfaktoren zurückführen lassen. So kann Florian sich fragen:


Die Gedanken des YouTubers Florian in mehreren Gedankenblasen.
Abb. 6.2: Gedanken des Youtubers Florian zu potenziellen Einflussfaktoren.


Stop and Think

Wann könnte man bei der Einladungskarte von einer erfolgreichen und von einer nicht erfolgreichen Kommunikation sprechen? Wie könnte die Einladungskarte dabei aussehen?

Über die Frage, welche Bedeutung der Gestaltung eines Mediums gegenüber der eigentlichen Botschaft zukommt, lässt sich streiten. Von dem kanadischen Literatur- und Medienwissenschaftler Marshall McLuhan stammt die provokante Aussage »The medium is the message« (»Das Medium ist die Botschaft«). Zeit seines Lebens setzte sich McLuhan mit der Frage auseinander, welche Effekte ein spezifisches Medium bei seinen Rezipierenden auslöst und wie einzelne Medien Wahrnehmung und Denken beeinflussen. Seine Aussage stellt das Erleben der Rezipierenden in den Mittelpunkt (siehe Kapitel Medien.Rezeption). Entsprechend der Redewendung »der Ton macht die Musik« sind Botschaft und Medium demnach gleichzusetzen und können nicht isoliert betrachtet werden. Die Botschaft ist der Ausdruck des Mediums in seiner ganz bestimmten Art und Weise, in der es vom Empfänger/von der Empfängerin wahrgenommen wird, und kein unabhängiger Inhalt, den das Medium freisetzt und der dann für sich existiert. So erhält dasselbe gesprochene Wort durch eine Vielzahl von Faktoren ganz unterschiedliche Bedeutungen, wie durch die Stimmfarbe und -höhe, Sprachgeschwindigkeit oder emotionale Färbung. Wie würde wohl das Video von Florian wirken, wenn Blaskapellen-Musik oder Heavy Metal im Hintergrund ertönt? Oder einzelne Szenen im Video in Zeitlupe oder als Zeichentrick inszeniert wären? Der Wahl und Gestaltung eines Mediums kommt eine entscheidende Rolle im Kommunikationsprozess zu.

Stop and Think

Wie könnte sich die Wirkung der Einladung für eine Party unterscheiden, je nachdem, ob sie im persönlichen Gespräch, als Videobotschaft oder in einer digitalen Karte an die Adressat*innen übermittelt wird?

Take Home Messages
  • Der Begriff ›Gestaltung‹ bezieht sich auf die Tätigkeit, d.h. den Prozess des Schaffens oder Formens.
  • Bei der Gestaltung können eine besondere Funktionalität, Ästhetik oder Symbolik angestrebt werden, wohinter meist motivationale Faktoren wie ein hoher Verkaufsgewinn und beruflicher oder privater Erfolg stehen.
  • Die Wirkung, die mit der Gestaltung eines Mediums erzielt wird, ist sehr vielschichtig und wird sowohl von der Wahl des (Verbreitungs-)Kanals als auch individuellen Faktoren der Sendenden und Rezipierenden bestimmt.