IT und Technik
Website: | OpenMoodle der Universität Bielefeld |
Kurs: | Digitale Barrierefreiheit an Hochschulen |
Buch: | IT und Technik |
Gedruckt von: | Gast |
Datum: | Donnerstag, 21. November 2024, 12:26 |
Beschreibung
Die Mitarbeitenden in der IT/Technik begleiten die Konzeption und Umsetzung neuer digitaler Angebote an der Hochschule. Damit kann hier Einfluss auf die Berücksichtigung von Barrierefreiheit bei der Entwicklung, Beschaffung und Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnik genommen werden.
1. Allgemeines
Die IT und Technik, die eine Hochschule nutzt und den Hochschulangehörigen zur Verfügung steht, ist die Grundlage ihrer digitalen Barrierefreiheit. Deshalb kommt diesem Bereich eine sehr wichtige Aufgabe zu. Es ist hierbei nicht nur wichtig, dass die bereits an der Hochschule verwendeten Softwareprodukte und Systeme sowie Arbeitsplätze barrierefrei sind, sondern auch dass bei neuen Beschaffungen von Anfang an die Barrierefreiheit beachtet wird. Im gesamten Prozess sollte deshalb die Barrierefreiheit mitgedacht werden. Da bei der Beschaffung viele verschiedene Prozesse von Relevanz sind, sind weitere Informationen zum Beschaffungsprozess in einem eigenen Buch „Beschaffung“ beschrieben.
Darüber hinaus haben viele Hochschulangehörige auch in ihrem Arbeitsalltag Probleme, ihre Arbeitsprodukte digital barrierefrei zu gestalten. Hierfür können Anlaufstellen, die Dienste zur Umsetzung oder Unterstützung anbieten, nützlich sein.
Verschiedenste Funktionen und Bereiche sind in die strategische Planung, Beschaffung, Implementierung, Wartung, Beratung und Nutzung der IT und Technik einbezogen. Nur durch eine gute Zusammenarbeit und Integration verschiedener Prozesse kann eine barrierefreie IT und Technik gewährleistet werden.
2. Rechtliche Grundlagen
Die Umsetzung barrierefreier IT ist in einer Vielzahl von Gesetzen und Verordnungen verankert.
Die Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) dient dem Ziel, eine umfassend und grundsätzlich uneingeschränkte barrierefreie Gestaltung moderner Informations- und Kommunikationstechnik zu ermöglichen und zu gewährleisten. Sie legt fest, dass Informationen und Dienstleistungen öffentlicher Stellen, die elektronisch zur Verfügung gestellt werden, sowie elektronisch unterstützte Verwaltungsabläufe für Menschen mit Behinderungen zugänglich und nutzbar gestaltet sein müssen. Die BITV ist sowohl auf Bundes- als auch auf Länderebene umgesetzt, wobei die Verordnungen der Länder die Regelungen der BITV des Bundes im Wesentlichen übernommen haben, dennoch kann es Unterschiede geben. Da die Hochschulen in der Regel den jeweiligen Landesgesetzgebungen unterliegen, sind diese landesspezifischen Gesetze für den Kontext Hochschule besonders wichtig. Eine Übersicht über die länderspezifischen Verordnungen ist im Portal Barrierefreiheit zu finden.
Die BITV verweist auch auf die EU-Richtlinie 2016/2102. Diese Richtlinie verpflichtet öffentliche Stellen von der Bundes- über die Landes- bis zur kommunalen Ebene zu barrierefreien Webangeboten (Webseiten und mobile Anwendungen).
Als europäischer Maßstab für Barrierefreiheit gilt die Norm EN 301 549, die Anforderungen an die Barrierefreiheit von IT aufführt. Auch die BITV des Bundes und der Länder verweisen auf die europäischen Normen. Neben Anforderungen zu Web, Hardware und Software nennt die Norm in Abschnitt 10 auch Anforderungen an sogenannte „Nicht-Web-Dokumente“ wie zum Beispiel PDF-Dateien. Weitere Informationen zur EN 301 549 sind im Portal Barrierefreiheit zu finden.
Die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) des W3C bilden den internationalen Standard zur barrierefreien Gestaltung von Internetangeboten und daher verweist die Norm EN 301 549 auf die WCAG 21. A und AA. Die dort aufgeführten Anforderungen sind in 3 verschiedene Level eingeteilt (A, AA und AAA) und sollen vor allem Web-Entwickler*innen dienen, ihre Entwicklungen barrierefrei zu gestalten. Die WCAG-Kriterien liefern zudem viele wichtige Hinweise zur Testung auf Barrierefreiheit und können entsprechend auch als Test-Kriterien dienen, um zu überprüfen, wie barrierefrei eine Webseite ist.
Für einzelne Typen von Anwendungen gelten zudem spezielle Normen:
- Grundsätze der Dialoggestaltungen werden in der Norm ISO 9241-110 beschrieben.
- Die Norm ISO 14289-1:2016-12 beschreibt, wie ISO 32000-1 (PDF/UA-1) zur Erstellung von barrierefrei zugänglichen elektronischen Dokumenten zu verwenden ist.
- Die ISO 9241-161 bezieht sich spezifisch auf clientbasierte Software und Betriebssysteme.
3. Hilfsmittelpool und barrierefreie Arbeitsplätze
Um ein möglichst barrierefreies Studium für Studierende mit Beeinträchtigungen zu gewährleisten, ist es wichtig, den Studierenden barrierefreie Arbeitsplätze anzubieten. Hierzu gehören zum einen Arbeitsplätze, die mit assistiven Technologien und Hilfsmitteln ausgestattet sind. Solche Arbeitsplätze können beispielsweise in der Bibliothek oder auch in einem Kompetenzzentrum für Barrierefreiheit angesiedelt sein. Zusätzlich sollten Ruheräume angeboten werden, in denen sich die Studierenden zurückziehen können.
Beispiele für die Ausstattung barrierefreier Arbeitsplätze:
- Höhenverstellbare Tische
- Punktschriftdrucker
- Lesegerät
- Braillezeile
- Bildschirmlesegeräte
- Großschrifttastaturen
- Visualizer
- Reizarmer Raum
Stellen Sie an der Hochschule barrierefreie Arbeitsplätze zur Verfügung, die mit assistiven Technologien und Hilfsmitteln ausgestattet sind.
Bieten Sie Ruheräume für Studierende mit Beeinträchtigungen an.
Good Practice:
- Die SLUB der TU Dresden bietet für blinde und sehbehinderte Menschen einen speziellen Raum mit Arbeitsplätzen an. Der Raum ist an der Zentralbibliothek verortet. Auf der Webseite der SLUB wird direkt eine Übersicht der Ausstattung geliefert.
- Die FH Dortmund verfügt sowohl über barrierefreie Arbeitsplätze als auch einen Ruheraum für beeinträchtigte Studierende.
- Die ZAB an der Universität Bielefeld stellt studentische Arbeitsräume mit umfassender Ausstattung an Unterstützungsangeboten zur Verfügung.
- Auch die PH Heidelberg bietet einen blinden- und sehbehindertenspezifischen PC-Arbeitsplatz mit Punktschriftdrucker, Lesegerät und Braillezeile an.
Darüber hinaus sollten sowohl die Studierenden als auch alle Mitarbeitenden der Hochschule die Möglichkeit haben, Hilfsmittel auszuleihen. Ein Hilfsmittelpool ist hierfür eine gute Anlaufstelle. Für diesen Hilfsmittelpool sollte es zudem eine Übersicht geben, welche Geräte und Hilfsmittel dort zur Verfügung stehen. Beispiele hierfür können mobile Höranlagen oder Hilfsmittel, die in der Liste zum barrierefreien Arbeitsplatz aufgelistet sind, sein.
Es ist nicht nur damit getan, dass [ein technisches Hilfsmittel] eingerichtet ist. Es muss unterhalten werden, es muss gewartet werden, es muss jemand dafür verantwortlich sein. Und sobald mehr Technik dazu kommt, muss man mit der [Technik] auch umgehen.2
Etablieren Sie einen Hilfsmittelpool, aus dem Studierende und Mitarbeitende Hilfsmittel ausleihen können und der sich um die Instandhaltung der Hilfsmittel kümmert.
Erstellen und veröffentlichen Sie eine Übersicht der Hilfsmittel und Geräte, die zur Verfügung gestellt werden.
Stellen Sie sicher, dass es eine*n Verantwortliche*n für den Hilfsmittelpool gibt, der die Hilfsmittel wartet.
Good Practices:
- Das ZAB der Universität Bielefeld verfügt über verschiedene Hilfsmittel, die bei Bedarf ausgeliehen werden können. Auf ihrer Webseite werden alle bestehenden Hilfsmittel aufgelistet.
- An der Universität Bremen können in der Medienstelle unter anderem FM-Anlagen ausgeliehen werden.
- In der TU Dortmund bietet DoBuS Arbeitsräume sowie einen Hilfsmittelpool an.
- An der HTWK Leipzig stellt die Hochschulbibliothek technische Geräte zur Ausleihe bereit und berät in diesem Zusammenhang zur Barrierefreiheit. Die Ausleihe steht allen HTWK-Angehörigen zur Verfügung.
4. Tools für mehr Barrierefreiheit
Für die Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit ist es auch wichtig, unterstützende Tools zur Verfügung zu stellen, um Barrierefreiheit zu ermöglichen oder zu unterstützen. Die Hochschule sollte deshalb geeignete Tools anschaffen und für alle Hochschulangehörigen zur Verfügung stellen. Damit die Hochschulangehörigen auch wissen, welche Tools ihnen zur Verfügung stehen, sollten diese klar für alle kommunizieren und bekannt gegeben werden. Darüber hinaus ist es auch wichtig, die Nutzenden zu unterstützen, wenn sie Probleme mit den von Ihnen bereitgestellten Tools haben. Es sollte deshalb einen Support geben, der alle dabei unterstützt, die Tools zu nutzen.
Beispiele für nützliche Tools:
Untertitelung
- Amberscript (automatische Erstellung von Untertiteln)
- Panopto (automatische Erstellung von Untertiteln)
- EVE (automatische Erstellung von Live-Untertiteln)
- Melvin (automatische Erstellung von Untertiteln sowie Möglichkeit zur kooperativen Überarbeitung dieser)
Schrift-Vergrößerung
- ZoomText (Großschriftsoftware)
Screenreader
- Jaws (Screenreader Software für Windows)
- Nvda (NonVisual Desktop Access Screenreader Software für Windows)
- Voiceover (integrierter Screenreader in das Betriebssystem Mac OS X)
- Orca (Open-Source-Screenreader für die Desktop-Umgebung Gnome)
Testung auf Barrierefreiheit von Dokumenten
- Moodle-Kurs "Materialpaket barrierefreie Lehre"
- Axes4 (Erstellung von barrierefreien Word- und PDF-Dokumenten)
- Der PDF Accessibility Checker (kurz: PAC) ist ein Tool, dass bei der Überprüfung von PDF-Dateien auf Barrierefreiheit unterstützt.
- Acrobat Pro DC für Windows und Mac unterstützt bei der Überprüfung von PDF-Dateien auf Barrierefreiheit.
- PDFix Desktop Lite ist ein kostenloser PDF Reader und Accessibility Checker für Windows und Mac
Testung auf Barrierefreiheit von Webseiten
- SiteImprove (automatische Prüfung von Webseiten auf Barrierefreiheit)
- Wave (Web Accessibility Evaluation Tools) ist ein Tool zur Überprüfung von barrierefreien Webseiten.
Testung von Farbkonstrasten
- CCA (Colour Contrast Analyser) ist ein kostenloses Tool für Windows und Mac, um Farbkontraste auf Barrierefreiheit zu überprüfen.
Beschaffen Sie Lizenzen und Software-Produkte, die für die Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit notwendig oder sinnvoll sind.
Machen Sie sich selbst mit den Produkten vertraut und bieten Sie Support für die Nutzung an.
Kommunizieren Sie (z. B. auf der Webseite) die an der Hochschule zur Verfügung stehenden Tools zur Umsetzung und Unterstützung von Barrierefreiheit.
Machen Sie den Mitarbeitenden und Lehrenden außerdem klar, wie wichtig es für Studierende ist, alle Dokumente und Materialien barrierefrei zur Verfügung gestellt zu bekommen. Machen Sie die Lehrenden auf die rechtlichen Vorgaben zur Zugänglichkeit von Lehre aufmerksam und verpflichten Sie sie in diesem Kontext zur Nutzung der von Ihnen bereitgestellten Barrierefreiheits-Tools. Um die Lehrenden und Mitarbeitenden noch weiter zu unterstützen, können Sie ihnen auch Leitfäden und Praxistipps zur Verfügung stellen, beispielsweise wie barrierefreie Dokumente erstellt werden. Sie können auch konkrete Hinweise zur Lehrgestaltung für die Nutzung der Tools geben.
Verpflichten Sie die Lehrenden und Mitarbeitenden an der Hochschule, barrierefreie Tools zu verwenden und alle Dokumente barrierefrei zu erstellen.
Bieten Sie Hinweise, Leitfäden und Praxistipps für die Nutzung der Tools und die Umsetzung von digitaler Barrierefreiheit.
Auch Tools, die beeinträchtigte Studierende und Mitarbeitende an der Hochschule unterstützen, sind von Bedeutung. Hochschulen können hierfür zum Beispiel Navigations-Apps für ihr Hochschul-Gelände bereitstellen.
Good Practice:
- Die Universität Bielefeld bietet mit ihrer Uni-Maps-App eine barrierefreie Navigation an.
- Die TH Köln stellt in der Bibliothek einen höhenverstellbaren Selbstverbuchungsautomaten zur Verfügung.
- In der TU Dresden steht auf dem gesamten Campus ein barrierefreies Leit- und Orientierungssystem zur Verfügung, bei dem durch QR-Codes an allen Räumen Informationen erhalten werden können.
5. Umsetzungs- und Unterstützungsservices
Um an der Hochschule die digitale Barrierefreiheit voranzubringen, können Umsetzungs- und Unterstützungsdienste hilfreich sein. Solche Dienste können sowohl ausschließlich für Studierende als auch für Lehrende und Mitarbeitende angeboten werden. Hierdurch können die Hochschulangehörigen dabei unterstützt werden, digitale Barrierefreiheit umzusetzen. Diese Angebote sollten dabei regelmäßig an die Hochschulangehörigen kommuniziert und publik gemacht werden.
Beispiele solcher Services können sein:
- Prüfung auf Barrierefreiheit
- Beratung und Hilfestellungen bei der Umsetzung digitaler Barrierefreiheit
- Umsetzungsdienst (Dokumente/Webseiten/… barrierefrei machen)
- Untertitelungsdienst
- Übersetzungsdienst
Bieten Sie für alle Hochschulangehörigen Umsetzungs- und Unterstützungsdienste an.
Kommunizieren Sie Ihre angebotenen Umsetzungs- und Unterstützungsdienste hochschulweit.
Good Practice:
- Die Universität Bielefeld bietet einen ServiceDesk Digitale Barrierefreiheit an, bei dem Hochschulangehörige die Möglichkeit haben, Webseiten, Dokumente oder Software auf Barrierefreiheit prüfen zu lassen.
- In der PH Heidelberg gibt es einen Umsetzungsdienst zur Erstellung barrierefreier Dokumente sowie einen Untertitelungsdienst zur Untertitelung von Filmsequenzen oder Podcasts, die im Rahmen von Lehrveranstaltungen eingesetzt werden.
- An der Uni Bremen wird derzeit eine Servicestelle für digitale Barrierefreiheit in der Hochschullehre aufgebaut, in der Prüfungen auf Barrierefreiheit sowie ein Umsetzungsdienst für Studienmaterialien und Webauftritte angeboten, Beratungen sowie Checklisten für eigenständige Überprüfungen zur Verfügung gestellt und Untertitelungen von Lehrveranstaltungsaufzeichnungen erstellt werden.