Transformationen der dramatischen Form 1800-1900
Uvodna sekcija (tematski format)
- Überblick
- Evaluation
- Historische Kontextualisierung
- I. Friedrich Schillers „Maria Stuart“
- II. Johann Wolfgang Goethes „Faust I/II“
- III. Heinrich von Kleists „Die Hermannsschlacht“
- IV. Christian Dietrich Grabbes „Napoleon oder Die hundert Tage“
- V. Georg Büchners „Woyzeck“
- VI. Johann Nestroys „Freiheit in Krähwinkel“
- VII. Friedrich Hebbels „Maria Magdalena“
- VIII. Gerhart Hauptmanns „Der Biberpelz“
- IX. Arthur Schnitzlers „Reigen“
- Das Gesamtkunstwerk im 19. Jahrhundert
- Abschluss: Kursübergreifende große Schreibaufgaben
- Literaturverzeichnis
- Impressum
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Der Faust-Stoff, d.h. die Geschichte des gelehrten Schwarzmagiers und Teufelsbündlers, begleitete Goethe seit seiner Kindheit. In seinem Lebensrückblick „Dichtung und Wahrheit“ spricht Goethe davon, dass sich die „bedeutende Puppenspielfabel“ des Dr. Faustus früh in sein Innerstes „eingewurzelt“ habe und „sich nach und nach zu poetischen Gestalten“ ausbildete, „ohne jedoch etwas davon aufzuschreiben“ (Goethe 1969: Bd. 23, S. 186). Erst mit großem lebensgeschichtlichen Abstand und in immer wieder neu ansetzenden unterschiedlichen Fassungen wird er ihn künstlerisch bearbeiten. Als Goethe sich zwischen 1772 und 1775, angeregt von dem Prozess gegen die Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt, an den sogenannten „Urfaust“ setzte, bemerkte der für das 18. Jahrhundert bedeutende, zu diesem Zeitpunkt 76-jährige Schweizer Philologe Johann Jacob Bodmer: „Man sagt, Goethe wolle bei uns an einem Trauerspiel von Dr. Faustus arbeiten. Eine Farce läßt sich von einem Schwindelkopf leicht daraus machen.“ (Brief an Schinz vom Juni 1775) Goethe hingegen wird aus dem Puppenspiel- und Farce-Stoff eines der bis heute bahnbrechendsten Gesamtkunstwerke der deutschen Literaturgeschichte erschaffen. Bereits mit dem „Urfaust“ und den späteren Überarbeitungen, in ungleich stärkerem Ausmaß aber mit dem „Faust II“, dessen Textfassung er am 22. Juli 1831 fertigstellte, sprengte er die Grenzen des Theatralischen, d.i. der Bühnenzeit und des Bühnenraums, der Figurationen, der Allegorien und der Symbolik zur völligen Verrätselung. Einer Verrätselung allerdings, die bis heute nichts von ihrer künstlerisch-inspiratorischen Kraft eingebüßt hat (für einen Überblick vgl. „Faust-Handbuch“).
Goethe war sich sehr bewusst, dass er mit dem „Faust“ etwas geschaffen hatte, das nicht nur für seine Zeitgenossen, sondern auch für die Nachwelt eine ästhetische Herausforderung bedeuten würde. Er versiegelte das Manuskript und verfügte, dieses dürfe erst nach seinem Tode erbrochen werden. Wilhelm von Humboldt, einer der wenigen Weggefährten, die das Entstehen des Dramas über mehrere Jahrzehnte hinweg mitverfolgt hatten, sah in der Versiegelung ein „wahrhaft grausames Beginnen“, beschwörte Goethe, „diesen Vorsatz wieder aufzugeben“ (Brief vom 6. Januar 1832) und den gesamten „Faust“ in den Druck zu bringen. Goethes Antwort vom 17. März 1832, ein halbes Jahr vor seinem Tod, zeigt, wie sehr er sich bewusst war, dass das Werk im eigentlichen Sinne ‚aus der Zeit gefallen‘ war: „Ganz ohne Frage würd’ es mir unendliche Freude machen, meinen werten, durchaus dankbar anerkannten, weitverteilten Freunden auch bei Lebzeiten diese sehr ernsten Scherze zu widmen, mitzuteilen und ihre Erwiederung zu vernehmen. Der Tag aber ist wirklich so absurd und konfus, daß ich mich überzeuge meine redlichen, lange verfolgten Bemühungen um dieses seltsame Gebäude würden schlecht belohnt und an den Strand getrieben, wie ein Wrack in Trümmern daliegen und von dem Dünenschutt der Stunden zunächst überschüttet werden. Verwirrende Lehre zu verwirrenden Handel waltet über die Welt [...].“
Als Textgrundlage zum „Faust“ dient die zweibändige Ausgabe, die von Albrecht Schöne im Deutschen Klassiker Verlag herausgegeben wurde. Sie besteht aus Text und Kommentar und enthält alle drei von Goethe ausgearbeiteten Fassungen. Die neueste Ausgabe ist in zweiter Auflage 2019 erschienen und bietet eine revidierte und aktualisierte Ausgabe der achten Auflage von Band 7 der Edition „Johann Wolfgang von Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche in 40 Bänden“, erschienen 1994 in Frankfurt am Main.
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