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    • „Ja, er [Nestroy] hat den politischen Beruf ergriffen - wie ein Wächter den Taschendieb. Und nicht die Lächerlichkeiten innerhalb der Politik lockten seine Aufmerksamkeit, sondern die Lächerlichkeit der Politik. Er war Denker, und konnte darum weder liberal noch antiliberal denken.“ (Kraus 1912, S. 17)Einband "Freiheit in Krähwinkel" im Reclam-Verlag Mit diesen Worten beschrieb Karl Kraus in seinem Essay „Nestroy und die Nachwelt“ (1912), den er zu dessen 50. Todestag verfasste, die Haltung, Denk- und Arbeitsweise des einflussreichen österreichischen Dramatikers. Auch Nestroys Posse „Freiheit in Krähwinkel“ lässt sich als politische Intervention lesen, insofern sie eine Stellungnahme zur prekären Lage in Wien nach der Revolution darstellt (vgl. Eke 2015, S. 141), ohne jedoch auf eine eindeutige Position festgelegt werden zu können, wie es Kraus andeutet. Der Literaturwissenschaftler Wolfgang Rothe bindet den spannungsreichen Konflikt an Nestroys Konzeption des Stückes, in welchem er das Publikum einnehmen, aber auch gleichzeitig den Revolutionären den Spiegel vorhalten wollte (vgl. Rothe 1989, S. 67-70). Mit seinem Sprachwitz erzeugt er widersprüchliche Situationen, ohne einen moralischen Standpunkt einzunehmen.

      Neben dem Theater an der Wien und dem Theater in der Josefstadt war das Carltheater für die Entwicklung der Wiener Theaterlandschaft von großer Bedeutung. Hier wurde  „Freiheit in Krähwinkel“ im Sommer 1848 uraufgeführt. Das kurzzeitige „zensurfreie Interregnum des Volkes“ (Dittmar 1974, S. 3683) ermöglichte es, dass das Stück zwischen Juli und Oktober des gleichen Jahres 36mal aufgeführt werden konnte, wobei Nestroy häufig eine Selbstzensur seiner Stücke vornahm, um keine rechtlichen Folgen fürchten zu müssen. Denn das in den Karlsbader Beschlüssen (1819) entworfene Bundes-Preßgesetz schränkte die Meinungsfreiheit massiv ein. Verbunden werden jene Beschlüsse mit dem Namen des österreichischen Staatskanzlers Metternich, der in der Posse „Freiheit in Krähwinkel“ selbst verspottet wird.

      So bildet das Stück die revolutionären Ereignisse in Wien zwischen dem 13. März und dem 27. Mai 1848 und deren Folgen ab. Auf einer allgemeinen Ebene spiegelt das Stück dabei auf satirische Weise die gesellschaftlichen Ungerechtigkeiten der Restaurationszeit wider, ohne dabei die Revolutionäre vom satirischen Angriff auszunehmen. Bei der Uraufführung verkörperte Nestroy selbst den Zeitungsredakteur Ultra auf der Bühne.
       
      Als Textgrundlage in diesem Kurs dient die Reclam-Ausgabe der Posse „Freiheit in Krähwinkel“ von 1980.