Nachteilsausgleiche verstehen

Sajt: OpenMoodle der Universität Bielefeld
Kurs: Materialpaket barrierefreie Lehre
Knjiga: Nachteilsausgleiche verstehen
Štampao/la: Korisnik u ulozi gosta
Datum: srijeda, 2. april 2025., 03:46

Opis

Diese Übersicht soll Ihnen als Übersicht zum Thema Nachteilsausgleiche (NTA) bei Studierenden dienen. Ziel ist es, Lehrenden transparent zu machen, wer an der Hochschule was mit diesem Thema zu tun hat, für welche Studierenden NTA wichtig sind und auch, was evtl. in Verantwortung der Lehrenden liegt. Aufgrund der Komplexität und individuellen Ausgestaltung der verschiedenen Bundesländer und Hochschulstandorte gibt es für manche Informationen nur wage Aussagen oder Verweise auf weiterführende Informationen.

Einführungsvideo der Uni Hamburg

1. Allgemeines

Ziel von Nachteilsausgleichen ist es, Nachteile durch bestimmte Maßnahmen so auszugleichen, dass chancengleiche Bedingungen (im Vergleich zu Kommiliton*innen) für alle herrschen. Das heißt, dass Studierende weder Nachteile noch Vorteile erfahren dürfen.

Berechtigt sind z.B. Personen, die eine physische oder psychische Beeinträchtigung haben oder die mutterschutzrechtliche Bestimmungen in Anspruch nehmen

Das Recht auf NTA ist an verschiedenen Stellen gesetzlich verankert:

  • Bewilligung von Nachteilsausgleich(en) kann langfristig (z.B. mehrere Jahre, das gesamte Studium) oder kurzfristig (z.B. ein Semester) erfolgen.

Eine Studie von Jana Bauer (2021) zeigt, dass Lehrende zwar einen Mehraufwand durch NTA fürchten, aber diejenigen, die bereits Erfahrungen damit gemacht haben, sich weitestgehend positiv äußern. Weitere Informationen finden Sie z.B. bei der Universität Potsdam.

2. Antragsprozess

  1. Einen Antrag stellt der/die Studierende schriftlich beim zuständigen Prüfungsausschuss.
  2. Über die Bewilligung entscheidet das zuständige Prüfungsorgan, ggf. nach Beratung mit der/dem Beauftragten für Studierende mit Behinderung.
  3. Nach Bewilligung erhält der/die Studierende eine schriftliche Benachrichtigung mit einer Auflistung der bewilligten Maßnahmen. Dieser dient u.a. zur Vorlage bei Dozierenden.

Der rechtliche Umgang mit Beeinträchtigungen und möglichen Nachteilsausgleichen im Studium ist komplex. Dies liegt u.a. an drei Voraussetzungen, die nachweislich erfüllt sein müssen, damit eine Person Nachteilsausgleiche schriftlich beantragen kann. Die Auswahl passender Maßnahmen erfolgt individuell in jedem Einzelfall und sollte bestimmten Leitlinien folgen.

3. Das bedeutet für Lehrende konkret

Aufgrund dieser Komplexität sind Sie als Lehrperson nicht für die Beantragung, Bewilligung oder Zuteilung von NTA zuständig. Typische Aufgaben, die Ihnen als Akteur*in in diesem Prozess zu fallen, sind die folgenden:

  • Signalisieren Sie den Studierenden eine Bereitschaft zum Gespräch und zur Unterstützung.

  • Verweisen Sie die Studierenden an Beauftragte oder Berater*innen für Studierende mit Beeinträchtigungen, für Prüfungen zuständige Verwaltungseinheit oder den Prüfungsausschuss.

  • Nehmen Sie Stellung zum Antrag auf Nachteilsausgleich, wenn Sie dazu aufgefordert werden. Dies ist insbesondere relevant, um didaktische Notwendigkeit von Präsenz oder inhaltliche Relevanz von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs für zu erwerbende Kompetenzen zu klären.

  • Halten Sie bewilligte Maßnahmen, die in Ihrer Hand liegen, ein. Eine Übersicht, was auf Sie zukommen kann, ist im nachstehenden Abschnitt umrissen.

Bitte bedenken Sie, dass es durch informelle Vorgehensweisen ohne Einbindung des Prüfungsamts zu Verletzungen des Gebots der Chancengleichheit kommen kann.

4. Für Lehrende relevante NTA-Maßnahmen

Bei der Gestaltung von Veranstaltungen und Studienleistungen muss die Lehrperson mögliche NTA berücksichtigen. Dies kann Maßnahmen umfassen, wie z.B.

  • Individuelle Fristen,

  • Ersatz schriftlicher durch mündliche Leistungen oder andersherum,

  • Zulassung zur Prüfung, auch wenn Zulassungsvoraussetzungen noch nicht vollständig erfüllt sind.

Bei der Gestaltung von Prüfungsleistungen muss die Lehrperson mögliche NTA berücksichtigen. Dies kann Maßnahmen umfassen, wie z.B.

  • Technisch barrierefreie Gestaltung von Prüfungen (Im Analogen heißt das, Zugänglichkeit zum Raum und Arbeitsplatz. Im Digitalen heißt das, Zugänglichkeit der Prüfungsdokumente, der Abgabe, usw.),

  • Adaptierte Aufgabenstellung, z.B. andere Schriftart, -größe oder Zeilenabstand,

  • Zulassung von Schreibgeräten oder anderen Hilfsmitteln oder Assistenzen,

  • Verlängerte oder verschobene Bearbeitungszeit,

  • Individuelle Pausenzeiten,

  • Bereitstellung von Ersatzleistungen (z.B. schriftliche durch mündliche Leistungen oder andersherum).

Bei jeglichen Anpassungen kann das Modulhandbuch als Vorlage dienen, um Spielräume aufzuzeigen. Darin sollte stehen, welche Kompetenzen es im entsprechenden Modul zu erwerben gilt. Der Weg dorthin kann unterschiedlich ausfallen.

5. Am Prozess beteiligte Personen

Akteur*in

typische Aufgaben der/des Akteur*in

Berater*in für Studierende mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen, z.B. in der Zentralen Studienberatung (ZSB), als eigenständige Beratungsstelle.

  • Beratung zu prüfungsrechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen, Maßnahmen und zum Verfahren (Antragsstellung, Nachweise, Umgang mit Ablehnung).
  • Ggf. Stellungnahme zum Antrag, entweder durch eine zustimmende bzw. ablehnende Erklärung oder durch eine ausführliche schriftliche Stellungnahme.

Beauftragte*r für Studierende mit Behinderungen und/oder chronischen Erkrankungen, z.B zeitgleich als Berater*in oder als Beauftragte*r, die den Fokus auf strukturelle Aufgaben legen.

  • Beratung zu prüfungsrechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen, Maßnahmen und zum Verfahren (Antragsstellung, Nachweise, Umgang mit Ablehnung).
  • Ggf. Stellungnahme zum Antrag bzw. rechtlich verankerte Beteiligungsrechte ausüben, z.B. durch eine zustimmende bzw. ablehnende Erklärung, schriftliche Stellungnahme oder Gespräch mit zuständigem Prüfungsorgan/ Prüfer*innen.

Lehrende

Siehe vorheriges Kapitel

Für Prüfungen zuständige Verwaltungseinheit, z.B. Prüfungsamt, Studienbüro.

  • Infomieren bzw. Beraten zum Verfahren (Antragstellung, geeignete Nachweise, Umgang mit der Ablehnung eines Antrags auf Nachteilsausgleich).
  • ggf. auch infomieren bzw. beraten zu Voraussetzungen und Maßnahmen.

Prüfungsausschuss(vorsitzende*r), ggf. anderes für Prüfungen zuständiges Organ.

  • Über Anträge entscheiden und Entscheidungen dokumentieren.
  • Erstellen (lassen) ausführlicher und begründeter Bescheide, insbesondere wenn ein Antrag abgelehnt wird.
  • Ggf. zu prüfungsrechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen, Maßnahmen und zum Verfahren (Antragstellung, geeignete Nachweise und ggf. Ablehnung eines Antrags auf Nachteilsausgleich) beraten.
  • Ggf. Umsetzung von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs organisieren.

Für Umsetzung von Maßnahmen des Nachteilsausgleichs zuständige Akteur*innen, z.B. Prüfer*in, Studienbüro, ZSB, insbesondere für den Einsatz von Hilfsmitteln und Umsetzen von Dokumenten in barrierefreie Formate.

  • Personelle und technische Unterstützung für Klausuren oder mündliche Prüfungen sowie Räume und Aufsichtspersonen bereitstellen.
  • Prüfungsaufgaben und ggf. erlaubte schriftliche Hilfsmittel, z.B. Gesetze, in barrierefreie Formate bereitstellen oder in solche umsetzen (lassen).
  • Studierende, Prüfer*innen und Aufsichtspersonen (nur) im erforderlichen Maße informieren, z.B. über Maßnahmen, die den Prüfungsablauf betreffen.
  • Bei Maßnahmen, die Fristen betreffen, geänderte Fristen im Campus Management-System eingeben.

Studierende (als Antragstellende)

  • Geeignete Nachweise für den Antrag beschaffen, ggf. von ärztlichen oder psychotherapeutischen Behandler*innen neu erstellen lassen.

Andere Aufgaben dürfen Antragsteller*innen nicht zugewiesen werden

(Fach-)Ärtzliche oder psycho-therapeutische Behandler*innen (als externe Akteur*innen).

  • Erstellen von Attesten oder Berichten über die Auswirkungen der vorhandenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf studien- und prüfungsrelevante Aktivitäten für ihre Patient*innen bzw. Klient*innen.

(Entnommen aus Gattermann 2019)

6. Prozess des Nachteilsausgleichs am Beispiel der Universität Hamburg (UHH)

Prozess des Nachteilsausgleichs an der UHH. Involviert sind Studierende, Beauftragte, Lehrende und der Prüfungsausschuss.
Abbildung: Prozess der UHH als ein Beispiel, entnommen aus: Gattermann 2020
 

Der Prozess an der Universität Hamburg (UHH) besteht aus vier Akteur*innen.

Der/Die Studierende kann eine Anfrage an Lehrende oder das Studienbüro stellen. Diese können Beratungsempfehlungen und/ oder Informationen zur Prüfungsorganisation geben. Zudem stehen Lehrende und Studienbüro im Austausch mit dem Prüfungsausschuss.

Der/Die Studierende stellt einen Antrag auf NTA (Nachteilsausgleich) beim Studienbüro oder dem Prüfungsausschuss. Diese entscheiden darüber, geben den Bescheid an den/die Studierende zurück und informieren über die Prüfungsorganisation.

Der Prüfungsausschuss der UHH steht mit dem/der Beauftragten (nach §88 HmbHG) zur Beratung im Einzelfall, bei Grundsatzfragen und bei Konflikten in Kontakt. Außerdem unterstützt der/die Beauftragte den Prüfungsausschuss in organisatorischen Fragen.

Weitere Aufgaben der/des Beauftragten sind die Beratung von Studierenden, die ihr Anliegen herantragen, und auf Wunsch das Verfassen einer schriftlichen Stellungnahme.