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    • Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenstück. Ein Lustspiel in 5 Aufzügen. Dt. Klassiker Verlag 2010.Seit 1763 arbeitete Lessing an seiner Komödie „Minna von Barnhelm oder das Soldatenglück“, welches 1767 zur Ostermesse beim Verleger Christian Friedrich Voß erschien. Noch im September des gleichen Jahres wird das Stück im Hamburger Nationaltheater uraufgeführt. Lessing scheint es wichtig gewesen zu sein, „Minna von Barnhelm“ bereits 1763 fertig gestellt zu haben, da er dies explizit auf dem Titelblatt des Stücks vermerken ließ. Die Annahme liegt nahe, dass Lessing auf den Frieden von Hubertusburg anspielen wollte, der den Siebenjährigen Krieg zwischen Preußen, Österreich und Sachsen beendete (vgl. Fick 2016, S. 262). Und in der Tat spielt auch der Siebenjährige Krieg eine Rolle innerhalb des Lustspiels.

      Nicht nur wegen der Bearbeitung des Krieges, sondern besonders wegen seines aktuellen Gehalts lobt Goethe das Stück:

      „Eines Werks aber, der wahrsten Ausgeburt des siebenjährigen Krieges, von vollkommenem norddeutschen Nationalgehalt muß ich hier vor allem ehrenvoll erwähnen; es ist die erste, aus dem bedeutenden Leben gegriffene Theaterproduktion, von spezifisch temporären Gehalt, die deswegen auch eine nie zu berechnende Wirkung tat, ‚Minna von Barnhelm‘“ (Goethe 2007, S. 307-308).

      In Lessings dramatischer Bearbeitung bilden die Geschehnisse um den Siebenjährige Krieg den Hintergrund für die Problematisierung des preußisch-militärischen Ehrbegriffs, denn hier zeigen sich die emotionalen Verstrickungen von Individuum und Gesellschaft besonders deutlich (vgl. Brenner 2011, S. 79). In der „Minna von Barnhelm“ bilden eine sich verändernde Liebes- und Ehekonzeption das Zentrum des dramatischen Konflikts und seiner (glücklichen) Lösung: Erst in der Moderne wird die Liebe zu einem legitimen Heiratsgrund. Die Liebesehe umfasst zum einen die privaten Gefühle der Liebenden und zum anderen die rechtlich-öffentliche Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau zu einer Versorgungsgemeinschaft. Zwischen diesen beiden spannungsreichen Polen – private Gefühle und rechtlich-öffentliche Verbindung – bewegen sich die Figuren Minna und Tellheim. Vorstellungen von Ehre interferieren mit beiden Sphären, denn eine unehrenhafte Liebe ist ebenso problematisch wie ein Eheleben, das den öffentlichen Ehrvorstellungen entgegenläuft (vgl. Saße 1997, S. 3).

      Lassen diese wenigen Andeutungen zunächst vermuten, dass wir es mit einem Trauerspiel zu tun haben, so konnten die Leser:innen schon im Erstdruck am Untertitel erkennen, dass es sich um ein Lustspiel handelt. Wenngleich im 18. Jahrhundert sich die in der klassizistischen Tradition eigentlich streng geschiedenen Gattungen von Komödie und Tragödie annäherten, so bricht Lessings Lustspiel (wie auch Gellerts ‚rührendes Lustspiel‘) zunächst vor allem mit der im deutschen Sprachraum lange bestimmenden Gattungstraditionen der Typenkomödie, indem er Charaktere (also Individuen) und keine zu verlachenden typenhaft gezeichneten Figuren auf die Bühne bringt. Allerdings behält Lessing das Element der Intrige bei, welches der Typenkomödie zu eigen ist (vgl. Fick 2016, S. 262-263).

       

      Lothar van Laak, Karima Lanius
    • Textgrundlage:

      Gotthold Ephraim Lessing: Minna von Barnhelm, oder das Soldatenstück. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen, hg. v. Klaus Bohnen, Berlin: Deutscher Klassiker Verlag 2010.