E-Prüfungen barrierefrei gestalten

Website: OpenMoodle der Universität Bielefeld
Kurs: Materialpaket barrierefreie Lehre
Buch: E-Prüfungen barrierefrei gestalten
Gedruckt von: Gast
Datum: Donnerstag, 21. November 2024, 12:26

1. Was sind E-Prüfungen?

Der Begriff E-Prüfungen steht für elektronische Prüfungen (engl. e-assessment) und ist ein prüfungsrechtlicher Begriff, welcher im Wandel ist. Während schriftliche, mündliche und praktische Prüfungen digital sowie analog durchgeführt werden können, finden E-Prüfungen nur digital statt. E-Prüfungen sind digitale Prüfungen in einem in sich geschlossenen System. Dieses System kann unter anderem Moodle sein. Der Zugriff auf diese Systeme kann vor Ort, also in Präsenz, oder digital (virtuell) erfolgen.

E-Prüfungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der gesamte Vorgang von der Vorbereitung, über die Durchführung sowie der Korrektur im selben System erfolgen muss.

Abbildung: Schematische Darstellung der Prüfungstypen, nach Malte Persike (eigene Darstellung)

E-Prüfungen können sein:

  • E-Tests und Quizzes: formative Form, oft semesterbegleitend
  • Fernprüfungen: beliebiger Durchführungsort („Take Home Prüfung“) – überwacht oder nicht
  • Scanprüfungen: Digitalisierung durch Einscannen nach der Prüfung – keine digitale Prüfung im eigentlichen Sinne
  • Hybride Prüfungen: Varianten auswählen oder Mischung oder Mischung der Bearbeitungsformen in derselben Prüfung

2. Prüfungsformate

Um den Lernerfolg der Studierenden mittels einer E-Prüfung zu erheben, gibt es unterschiedliche Prüfungsformate:

  • Closed Book Exams: Keine Hilfsmittel als die von Prüfer*innen vorgegebenen erlaubt
  • Cheat Sheet Exams: eigene Klausurhilfen („Spickzettel“) sind erlaubt 
  • Open Book Exams: Lehrbücher und ausgewählte Materialen dürfen mit in die Prüfung genommen werden
  • Open Web Exams: alles darf genutzt werden, außer Live-Austausch mit anderen Studierenden während der Prüfung

Vorteile von Open Exams: höheres Kompetenzwissen, authentisches Prüfen, Nutzung von Parametririesungen, Constructive Alignment. ABER: Muss geübt werden! Es muss fachliches sowie Kompetenzwissen vermittelt werden.

Achtung: Prüfungsrechtliche Vorgaben der jeweiligen Hochschule beachten!

3. Typische Aufgabenformate in E-Prüfungen

Die Aufgaben innerhalb der E-Prüfungen können unterschiedliche Formate annehmen. Lehrende haben die Möglichkeit die Prüfungen so zu gestalten, dass diese zum Veranstaltungstyp und zum Einsatzzweck passen. Dabei können folgende Formate hinzugezogen werden:

  • Offene: Ergebniseingabe, Freitextangabe, Scan-Aufgabe
  • Geschlossene: Multiple-Choice-Aufgabe, Single-Choice-Aufgabe, Kprim-Aufgabe, Zuordnungsfrage, Klassifikationsaufgabe, Lückentext-Aufgabe („CLOZE“), Bildannotation/Hotspot/ImageMap
  • Fachspezifische Aufgaben wie Formeln, Coding etc.

3.1. Typische Aufgabenformate in E-Prüfungen in Moodle

Obwohl das LMS Moodle nicht primär für die Durchführung von E-Prüfungen konzipiert ist, beinhaltet die „Test“-Aktivität einen ausreichenden Funktionsumfang für die Durchführung summativer Assessments an. Dabei steht den Lehrenden ein großes Repertoire an unterschiedlichen Fragetypen zur Verfügung, wie ua.: 

  • Multiple Choice-Fragen
  • Freitextaufgaben
  • Zuordnungsfragen
  • Fragen nach Zahlen
  • Fragen nach Berechnungsergebnissen 

3.2. „Regelkunde“ für Multiple Choice Fragen (nach Malte Persike)

Damit die Beantwortung von Multiple Choice Fragen für Studierende auch tatsächlich möglich ist, müssen folgende Regeln beachtet werden:

  • Beantwortbar, ohne die Fragen/Antworten zu lesen
  • Keine Clue-Words („nie“, „immer“ etc.)
  • Ähnlich lange Antwortalternativen
  • Gleich plausible Antwortalternativen
  • Gleich wahrscheinliche Positionen für „richtig“ nicht immer an der gleichen Position
  • Nicht zu ähnliche Antwortalternativen
  • Wenige Wortwiederholungen
  • Wenig Negationen
  • Vier oder mehr Antwortalternativen
  • Anzahl korrekter Antwortmöglichkeiten mitteilen

4. Wandel der Prüfungskultur

Nicht nur aufgrund der zunehmenden Digitalisierung braucht es einen Wandel in der Prüfungskultur. Ansteigende Zahlen der Studierenden, Umstellungen von Studiengängen oder auch die Corona-Pandemie bedingen diesen Wandel in der Prüfungskultur. Alte Strukturen müssen an die neuen Gegebenheiten angepasst und ein neues Verständnis von Prüfungen hergestellt werden. Dabei können bereits bekannte und neuere Modelle herangezogen werden.

4.1. Constructive Alignment (nach John Biggs)

Beim Constructive Alignment sollen Lernprozesse mit dem Lernergebnis übereinstimmen. Lernziele, Lehr- und Lernmethoden, Lernaktivitäten sowie Prüfungsformen sollen miteinander abgestimmt werden.

Schematische Darstellung des Constructive Alignments

Abbildung: Schematische Darstellung des Constructive Alignments, eigene Darstellung, in Anlehnung an Wildt und Wildt, 2011

4.2. Das SAMR Modell (nach Dr. Ruben Puentedura)

Das SAMR-Modell soll Lehrenden dabei helfen, ihre Lehre sowie Prüfungen schrittweise zu digitalisieren. Dabei geht es darum, zunächst die Lehre/Prüfung zu verbessern und schließlich neuzugestalten.

SAMR steht für die folgenden vier Stufen:

  • S = Substitution (Ersatz): Analoge Formen werden direkt in digitale Formen umgesetzt, jedoch nicht funktional angepasst
  • A = Augmentation (Erweiterung/Ergänzung): Aufgaben werden funktional angepasst z.B. durch die zusätzliche Benutzung von Computern für die Erfüllung von Aufgaben
  • M = Modification (Umgestaltung): Aufgaben und somit der Lernprozess werden neugestaltet
  • R = Redefinition (Neudefinition): Nutzung von neuen Aufgaben/Lernprozessen, z.B. Programmieren während einer Klausur

Achtung: Technik-Kompetenz muss vorhanden bzw. gelernt sein.

Schmematische Darstellung des SAMR-Modells.

Abbildung: Schematische Darstellung des SAMR-Modells, nach Ruben Puentedura (2006).

5. Online-Prüfungen

Bei Online-Prüfungen ist der Einsatz von elektronischen Informations- und Kommunikationswegen zentral.

Online-Prüfungen (oder auch digitale Fernprüfungen genannt) können in sogeannte "Take-Home"- und Vor-Ort-Prüfungen unterteilt werden.

"Take-Home"-Prüfungen werden vorwiegend, jedoch nicht ausschließlich, genutzt, um asynchrone und längere Prüfungsaufgaben zu absolvieren. 

5.1. "Take-Home"-Prüfungen

"Take-Home"-Prüfungen ohne Bewachung

Take-Home-Prüfungen finden, wie der Name bereits erklärt, nicht in der Hochschule, sondern zu Hause statt. Derartige Prüfungen sind mit Klausuren vergleichbar und sollten demnach Aufgaben beinhalten, die in einer relativ kurzen Zeit gelöst werden können. Häufig werden Take-Home-Prüfungen als Open-Book-Klausuren oder Kofferklausuren gestellt und Hilfsmittel sind erlaubt. Die Ausgabe der Prüfungsaufgabe sowie die Abgabe erfolgen in elektronischer Form. Bei Take-Home-Prüfungen werden zwei verschiedene Varianten unterschieden:

  • Studierende haben selbst Angst, durch Täuschung von Kommiliton*innen benachteiligt zu werden.
  • Hohe Vorbereitungsintensität (da reine Wissensabfrage nicht passend ist).
  • Leistungszeit und Leistungen höher z.B. aufgrunddessen, dass der heimische Kontext kein Prüfungsort ist.
  • Täuschungskontrolle durch: Täuschungsvermeidung, Täuschungsüberwachung, Täuschungsaufdeckung.
  • Täuschung in der Distanz größer als in Präsenz
  • Aber: Täuschen kann man immer.
"Take-Home"-Prüfungen mit Bewachung: Das Online Proctoring

Online Proctorin ist ein ortsunabhängiges digitales Assessment mithilfe spezieller Software, die Täuschung verhindern soll. Die Software kann dabei die Prüfung in verschiedenen Formen aufzeichnen (Bildschirmfotos, Video, Audio, Clickstream).

4 Level des Proctoring:

  • Level 0: Videokonferenzen mit bis zu 50 Studierenden, keine Aufzeichnung
  • Level 1: Proctoring mit dezidierter Software, 1 Kamera, Webseiten-Logging, ggf. Aufzeichnung
  • Level 2: Proctoring mit 1 Kamera, Webseiten- und Application-Logging plus Computer Lock-Down, ggf. Aufzeichnung
  • Level 3: Proctoring mit 2 Kameras, vollständiger Aktivitäts-Logging plus Computer Lock-Down, ggf. Aufzeichnung

Aufzeichnungen sind kritisch zu betrachten und sind in den Bundesländer unterschiedlich geregelt.

Proctoring kann digital und in Präsenz Anwendung finden, da Vor-Ort-Prüfungen oft in abgeschirmten und uneinsehbaren Prüfungsplätzen stattfinden.

5.2. Digitale Vor-Ort-Prüfungen

Digitale Vor-Ort-Prüfungen finden in der Hochschule selbst statt. Damit die Durchführung am Campus gelingen kann, müssen unterschiedliche Besonderheiten beachtet werden. Beispielsweise sind die Gegebenheiten zu den Räumlichkeiten, der Infrastruktur und der Hardware zu klären.

Benötigte räumliche und technische Infrastruktur: 

  • Computer-Pools (feste Camputerarbeitsplätze),
  • mobile Pools (Computerarbeitsplätze, die in unterschiedlichen Räumen eingerichtet werden können),
  • BYOD- "Bring your own Device" (Prüfende bringen ihre eigenen Geräte zur Durchführung der Prüfung mit)

Prüfungsmöglichkeiten:

  • Open-Book-Klausuren,
  • Prüfung mit Drittapplikation,
  • E-Prüfungen im selben System

5.3. Ergebnisse einer Studierendenbefragung

Studierendenbefragung an der Uni Bielefeld zu Online-Prüfungen

Die Studierendenbefragung im Wintersemester 2020/2021 hat ergeben, dass 64,5% der Studierenden (sehr) zufrieden mit der Organisation der Online-Prüfungen waren. 

Bei 42,7% (N=2837) der Onlineklausuren fand im Vorfeld der Online-Prüfung ein Testdurchlauf statt. 80,6% (N=2340) waren (sehr) zufrieden mit den Testdurchläufen. 73,7% (N=2837) der befragten Studierenden haben im Vorfeld der Onlineklausuren Anleitungen oder Informationsmaterialien zur Verfügung gestellt bekommen. Und 85,7% (N=2749) fanden diese (sehr) hilfreich. Das hat vermutlich darauf Einfluss genommen, dass die Studierenden (sehr) gut auf den Ablauf der Onlineprüfungen vorbereitet gefühlt haben (69,1%, N=2194).

Diese Ergebnisse zeigen, dass eine gute Vorbereitung auch auf die technischen Bedingungen einer Online-Prüfung sinnvoll ist.

Dennoch sind bei 34% der Befragten technische und bei 27,9% organisatorische Probleme aufgetreten (N=3154). Bei 58,2% konnten die technischen Probleme noch während der Prüfungen gelöst werden. Doch bei den Studierenden, bei denen sich die technischen Schwierigkeiten nicht oder nur teilweise lösen ließen, mussten knapp 20% die Onlineprüfung vorzeitig abbrechen.

Des Weiteren gaben die Studierenden an, dass die Anforderungen der Online-Prüfungen höher waren (42%, N=1889) und das Stresslevel deutlich höher war als Prüfungen in Präsenz (44,2%, N=1889).

Gerade die technischen Probleme können unerwartet auftreten und erheblichen Stress verursachen. Auf diese sollten adäquat reagiert werden.

Besonders beliebtes Prüfungsformat ist laut der Befragung eine Online-Prüfung als Open-Book im Online-Prüfungssystem mit 49,1% (N=3042). Jedoch haben nur 31,6% diese Formen der Prüfungsleitung erbracht (N=3762). Im Wintersemester 2021/22 waren die meisten befragten Studierenden mit Open-Book-Klausuren mit freier Bearbeitung (sehr) zufrieden (79,5%, N=836). Auch in dieser Befragung wünschen sich 46,6% Online-Prüfungen als Open-Book im Online-Prüfungssystem als zukünftiges Prüfungsformat (N=1720).

6. Umsetzung von E-Prüfungen

Bei der Umsetzung von E-Prüfungen sowie allgemein von digitalen Prüfungen ist ein Zusammenspiel folgender Maßnahmen von hoher Relevanz: Prüfungs- und datenschutzrechtliche Maßnahmen, technsich-infrastrukturelle Maßnahmen, didaktisch-psychologische Maßnahmen, organisatorisch-logistische Maßnahmen.

Grafik: Vier Handlungsfelder in Pyramidenform dargestellt. Von unten: Recht, Technik und Didaktik, Organisation.

Abbildung: Vier Handlungsfelder digitaler Prüfungen, entnommen aus Alexander Schulz.

6.1. Vorüberlegungen vor einer E-Prüfung

Bevor eine E-Prüfung durchgeführt werden kann, gilt es einige Überlegungen vorab anzustellen und verschiedene Faktoren abzuklären. Folgende Aspekte sollten beachtet werden:

  • Technische Vorüberlegungen
  • Rechtliche Vorüberlegungen
  • Didaktische Vorüberlegungen
  • Räumlichkeiten, ggf. Raumbuchungen
  • Software, ggf. Software-Schulung vor Erstanwendung

6.2. Aufwand für die Durchführung von E-Prüfungen

Bei der Durchführung von E-Prüfungen sind nicht nur theoretische Vorüberlegungen anzustellen. Zusätzlich muss für das Notwendige Equipment gesorgt werden:

  • Software und ggf. Hardware zur Verfügung stellen.
  • Stabiles Internet muss vorhanden sein. Wenn mit einem Save-Exam-Browser gearbeitet wird: benötigt zweites Endgerät für Überwachung durch z.B. Zoom
  • Personal zur Überwachung, für den technischen Support und für inhaltliche Fragen
  • Raum-Fragen: Vor Ort müssen Räumlichkeiten vorhanden und ausgestattet sein; Zu Hause benötigen Studierende die Möglichkeit, die Prüfung in Ruhe durchzuführen.
  • Schulung in digitalen Kompetenzen

Eine Handreichung zum Thema E-Prüfungen mit entsprechender Checkliste und zusätzlichen Informationen finden Sie im Moodle-Kurs "Materialpaket barrierefreie Lehre".

6.3. E-Prüfungen und Safe Exam Browser

-       Mittels des Safe Exam Browsers (SEB) besteht für Studierende die Möglichkeit, Closed Book Prüfungen (keine Hilfsmittel als die von Prüfer*innen vorgegebenen erlaubt) an einem eigenen Gerät durchzuführen. Sowohl für Windows als auch für macOS, kann der SEB eingesetzt werden. Durch den SEB wird die Nutzung des eigenen Geräts eingeschränkt und in Verbindung mit einer Aufsicht über Zoom eine kontrollierte Prüfungsbearbeitung gewährleistet. Für Closed Book Prüfungen mit Bearbeitung im Prüfungssystem ist die Nutzung des SEB zwingend notwendig. Vor der Durchführung und Teilnahme an einer E-Prüfung sollte der Umgang damit vertraut und geübt sein. Diese Möglichkeit besteht innerhalb des Testraums der Universität Bielefeld.

6.4. E-Prüfungen und Nachteilsausgleich

Aufgrund der individuellen Bedarfe von Studierenden, ist die Erbringung von Leistungen und Prüfungen in der vorgegebenen Weise oder im vorgesehenen Zeitrahmen teilweise nicht möglich. Daher benötigt es an dieser Stelle eine zeitliche und/oder formale Anpassung der Leistungsnachweise. Dies gilt besonders bei Klausuren, Referaten, mündlichen Prüfungen, Hausarbeiten, Berichten und Abschlussarbeiten. Studierende haben ein Recht auf Nachteilsausgleiche. Das Recht auf Nachteilsausgleich von Studierenden mit Behinderung (SmiB) und chronischen Erkrankungen ist gesetzlich verankert. Die Gesetzestexte können auf der Homepage des Deutschen Studierendenwerks eingesehen werden. 

In jedem Einzelfall wird individuell geprüft, welche beeinträchtigungsbedingte Benachteiligung vorliegt und wie diese sinnvoll auszugleichen ist. Die Gestaltung der Maßnahmen für Nachteilsausgleiche bezieht sich häufig auf Prüfungen, die in Präsenz stattfinden. Jedoch lassen sich viele Empfehlungen für Präsenz-Prüfungen auch problemlos auf digitale Formate übertragen. Beispielsweise können wichtige Handlungsfelder und mögliche Maßnahmen zum Nachteilsausgleich eine Verlängerung der Schreibzeit bei Klausuren oder Hausarbeiten, Verlängerung der Bearbeitungszeit um tatsächlich anfallende Pausenzeiten, Bereitstellung von technischen Hilfsmitteln, Erlaubnis der Nutzung von persönlicher Assistenz sein. Eine ausführliche Aufführung hält die Universität Hamburg in einer Tabelle fest. Dort werden die gängigen Maßnahmen des Nachteilsausgleichs für Präsenz-Klausuren aufgelistet und skizziert, ob und ggf. wie die Umsetzung bei elektronischen Prüfungen oder klausurähnlichen Take Home Exams erfolgen kann. Die ausführliche Tabelle und weitere hilfreiche Informationen finden Sie in dem PDF-Dokument der Universität Hamburg "Wie lassen sich Maßnahmen des Nachteilsausgleichs für Präsenz-Prüfungen auf digitale Prüfungen übertragen?".

7. Barrieren in digitalen Prüfungen

Anfang 2022 wurde im Rahmen von SHUFFLE eine Umfrage zu digitaler Barrierefreiheit an den vier Projekthochschulen durchgeführt. Befragt wurden Studierende, Lehrende und Leitende in einer Online-Befragung sowie in Interviews.

In der Online-Umfrage wurden die Studierenden unter anderem zu Barrieren in digitalen Prüfungen befragt. 60% der Befragten, die bereits an digitalen Prüfungen teilgenommen haben, sind auf folgende Barrieren gestoßen: 

  • Bearbeitungszeit
  • Reizüberflutung
  • Stress und psychische Belastungen (aufgrund von Unsicherheiten mit dem Umgang digitaler Inhalte und Technik, Angst vor Beobachtung, Konzentrationsschwierigkeiten)
  • Probleme mit einer stabilen Internetverbindung
  • Unzureichende Hard- und Software

Die Ergebnisse aus der Umfrage weisen darauf hin, dass grundlegende Probleme in digitalen Prüfungen bestehen könnnen. 

Zu der Bearbeitungszeit hat ein*e Studierende*r Folgendes geäußert:

"Unfortunately, the given time for most online exams were extremely short. Professors should understand that we are humans too and we need time to read, think and answer the questions given. I think they are doing this to prevent us from “cheating”, but we are human, it is not possible to respond in a second like robots. How can I focus on questions if I'm looking at the remaining time every ten seconds and my heart beats twice as fast as it should?"

Die Frage "Inweiweit kommen Sie mit folgendem Aspekt zurecht: E-Prüfungen auf der Lernplattform" hat ergeben, dass nur ca. ein Drittel (sehr) gut mit E-Prüfungen auf Lernplattformen zurecht kommen. Knapp weniger als ein Drittel kommen teilweise mit E-Prüfungen und ein Drittel (gar) nicht gut zurecht. 

ALT einfugen

Abbildung: Diagramm zu der Frage "Wie kommen Sie mit E-Prüfungen zurecht?", eigene Darstellung

Welche Barrieren Studierende in Moodle hauptsächlich erfahren, finden Sie im ersten Kapitel unter "Schwierigkeiten der Studierenden mit Moodle".

7.1. Wie kann ich meine Prüfungen möglichst barrierefrei gestalten?

Damit gewährleistet ist, dass die Prüfung selbst ebenfalls barrierefrei ist und von allen Studierenden bearbeitet werden kann, gilt es folgende Aspekte zu beachten:

  • Achten Sie darauf, dass ihre Prüfungen barrierefrei gestaltet (Dokumente, Moodle-Aufgaben) sowie die zu nutzende(n) Software-Programme barrierefrei sind.
  • Achten Sie darauf, dass die Studierenden die Möglichkeit haben, zuerst alle Aufgaben durchzulesen, bevor sie die Aufgaben beantworten müssen. So haben sie die Möglichkeit, die Reihenfolge zur Bearbeitung selbst festzulegen, wenn diese didaktisch keinen Mehrwert hat.
  • Wenn die Reihenfolge festgelegt ist, sollte dies vorher den Studierenden kommuniziert werden.
  • Zur besseren Orientierung sollte zu Beginn der Klausur ein Inhaltsverzeichnis eingebunden sein.
  • Üben Sie die Nutzung von digitalen Programmen mit ihren Studierenden, damit diese in der Prüfung sich auf die inhaltliche Bearbeitung konzentrieren können.
  • Geben Sie am Anfang der Prüfung die Bearbeitungsdauer und während der Prüfung rechtzeitig das nahende Prüfungsende an.
  • Geben Sie Hinweise zum technischen Support.
  • Wenn es dem Prüfungszweck nicht entgegensteht, sollten die Studierenden die Wahl haben, welche Bearbeitungstechnik sie nutzen wollen. Zudem sollten diese genau beschrieben und geübt werden. Mögliche Bearbeitungstechniken für Klausuren: geschriebene Texte einscannen, digitale Dokumente hochladen, mit Tastatur auf PC schreiben, einer Assistenzperson diktieren etc.
  • Aufsichtspersonen sollten darin geschult sein, dass sich Studierende mit Beeinträchtigung evtl. anders im Online-Setting verhalten als andere Studierende. Unter anderem nutzen sie Messgeräte oder bestimmte Skills zur Beruhigung, gehen häufiger zur Toilette oder haben eine Assistenzperson, die sie unterstützen.

Ein Leitfaden mit den gebündelten Informationen, Tipps und Tricks zum Download sowie eine entsprechende Checkliste zum Abhaken steht in dem Moodle-Kurs "Materialpaket barrierefreie Lehre" zur Verfügung.

7.2. Welche Fragetypen in Moodle sollte ich eher nicht nutzen?

Nicht alle Fragetypen eignen sich für eine Frage innerhalb von E-Prüfungen, da sie eine Barriere darstellen können. Da bei unteschiedlichen Fragetypen nicht alle Studierenden die Möglichkeit haben, die Frage zu beantworten, bietet die nachfolgende Tabelle eine Übersicht mit zu vermeidenden Fragetypen.

Tabelle: Fragetypen, die nicht barrierefrei sind
Fragetyp Kurzbeschreibung Nicht verwenden, weil...
Anordnung Ordnen Sie die zufällig angeordneten Elemente in eine sinnvolle Reihenfolge.

Ist nicht zugänglich für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.

Nicht per Tastatur steuerbar.

Nicht mit Screenreader lesbar.

Drag-and-Drop auf Bild Bilder oder Texte werden auf Ablagebereiche eines Hintergrundbildes gezogen.

Ist nicht zugänglich für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.

Nicht per Tastatur steuerbar.

Nicht mit Screenreader lesbar.

Drag-and-Drop auf Text Fehlende Wörter im Fragetext werden per Drag-and-drop ausgefüllt.

Ist nicht zugänglich für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen.

Nicht per Tastatur steuerbar.

Nicht mit Screenreader lesbar.

Drag-and Drop-Markierungen Markierungen werden per Drag-and-drop auf ein Hintergrundbild gezogen.

Ist nicht zugänglich für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.

Nicht per Tastatur steuerbar.

Nicht mit Screenreader lesbar.

Erweiterter Lückentext Ein Fragetyp, der sich mit dem Ausfüllen von Lücken beschäftigt. Erlaubt "drag&drop" und "drop down" Antwortmöglichkeiten mit dem Einblenden von falschen Antwortmöglichkeiten, welche zur Ablenkung bei der Beantwortung der Frage dienen.

Ist nicht zugänglich für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.

Lückentext (Cloze) Fragen dieses Typs sind sehr flexibel. Der Text muss zur Erzeugung einer Lücke codiert werden, um Multiple Choice-Fragen, Kurztextfragen oder numerische Fragen einzubinden. Ist nicht zugänglich für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.
Lückentextauswahl Fehlende Wörter im Fragetext werden über Drop-Down-Menüs ausgefüllt. Ist nicht zugänglich für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.
Wörter markieren Buchstaben oder Wörter markieren in einem Textabsatz. Ist nicht zugänglich für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen, motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.
Zuordnung Die Antwort auf jede der Unterfragen muss aus einer Liste von Möglichkeiten ausgewählt werden. Ist nicht zugänglich für Menschen mit motorischen Beeinträchtigungen sowie psychischen Erkrankungen.

Quelle:

FH Potsdam: Moodle Fragetypen der Aktivität "Test"

7.3. Geeignete Fragetypen

Obwohl das LMS Moodle nicht primär für die Durchführung von E-Prüfungen konzipiert ist, beinhaltet die "Test"-Akitvität einen ausreichenden Funktionsumfang für die Durchführung summativer Assesments. Die nachfolgenden Aufgabentypen können von allen Studierenden bearbeitet werden und sind (weitgehend) barrierefrei. 

  • Multiple-Choice-Fragen (weitgehend barrierefrei)
  • Textbasierte Fragetypen: Kurzantwort (weitgehend barrierefrei) und Freitext (weitgehend barrierefrei)
  • Zuordnungs-Fragetypen für Wörter und Wortgruppen: Zufällige Kurzantwortzuordnung (wie Zuordnung mit Drop-Down-Liste) weitgehend barrierefrei)
  • Mathematische Fragetypen: Numerisch, Einfach berechnet, Berechnet und Berechnete Multiple-Choice (weitgehend barrierefrei)

8. Tipps und Tricks

Assessment Toolbox Bern: bietet unter anderem die Möglichkeit, strukturiert nach alternativen Assessment-Formaten zu suchen.

Zudem finden Sie dort Tipps für digitale Prüfungen (PDF) als kompaktes PDF-Dokument.

9. Quellen

Bandtel, M., Baume, M., Brinkmann, E., Bedenlier, S., Budde, J., Eugster, B., Ghoneim, A., Halbherr, T., Persike, M., Rampelt, F., Reinmann, G., Sari, Z., Schulz, A. (Hrsg.) (2021). Digitale Prüfungen in der Hochschule. Whitepaper einer Community Working Group aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Version 1.1. Berlin: Hochschulforum Digitalisierung. DOI: https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000138521/131305183, zuletzt aufgerufen 08.05.2023.

Budde, Jannica; Tobor, Jens; Beyermann, Jasper (2023): Blickpunkt Digitale Prüfungen. Hochschulforum Digitalisierung. Online abrufbar als PDF unter: https://hochschulforumdigitalisierung.de/sites/default/files/dateien/HFD_Blickpunkt_Digitale_Pruefungen.pdf, zuletzt aufgerufen 08.05.2023.

Gattermann-Kasper, Meike; Peschke, Susanne (2022): Digitale Prüfungen inklusiv gestalten: Didaktische, technische und organisatorische Anforderungen, Präsentation vom 11.11.2022, online als PDF verfügbar unter: https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/praesentation_peschke_gattermann.pdf, zuletzt aufgerufen am 09.05.2023

Leibniz-Institut für Wissensmedien (2021): Constructive Alignement; https://www.e-teaching.org/didaktik/konzeption/constructive-alignment, aktualisiert am 21.02.2023, zuletzt aufgerufen 08.05.2023.

Persike, Malte (2021): Infopoint Hochschullehre: Digitale Prüfungen – Konzepte, Technik, Praxis vom 24.09.2021. Hochschulforum Digitalisierung. Online-Video, zuletzt aufgerufen 08.05.2023. 

Universität Bielefeld ZAB (o.J.): Nachteilsausgleich. Online verfügbar unter https://www.uni-bielefeld.de/einrichtungen/zab/studierende/studieren/nachteilsausgleich/, zuletzt aufgerufen am 12.10.2023.