Text: Medien.Didaktik
7.11 Lerngegenstand ›Medien‹ – oder anders: Wie unterrichte ich kritischen Umgang mit Medien?
Alle bisherigen Ausführungen gingen davon aus, dass der Lerngegenstand nicht das Thema »Medien« war (= Lernen über Medien), sondern ein fachliches Thema – z.B. aus dem betrieblichen Kontext. Nun soll der Blick auf den eingangs skizzierten Sonderfall gelegt werden, dass nicht mit Medien gelernt wird, sondern über Medien. Diese Bewusstseinsschärfung im Sinne eines umfassenden Medienkompetenzerwerbs gehört in der Medienbildung zum Bildungsauftrag. Neben den Facetten ›Medienkunde‹, ›Mediennutzung‹ und ›Mediengestaltung‹ nennt Baacke als zentrale weitere Säule die der ›Medienkritik‹ (siehe Einheit Medien.Begriffe).
Damit ist gemeint, dass Lernende Medien nicht nur bedienen können sollen, sondern sich auch der Gefahren im Netz bewusst sein sollen. Dies impliziert Fragen des Datenschutzes und des digitalen Kapitalismus, aber auch alle Fragen bzgl. Cyberkriminalität, Fake News
Stop and Think
Geben Sie einen Textausschnitt aus Ihrem eigenen Text testweise in einen Plagiatsfinder ein, um die Arbeitsweise eines Plagiatsfinders kennenzulernen.
Recherchieren Sie ein Bild aus dem Internet (News zu aktuellem Tagesgeschehen). Welche Aspekte deuten darauf hin, dass es sich hier um ein »echtes« Bild handelt, welche darauf, dass es sich um eine Fotomontage handelt?
Literatur- und Web-Tipp
Zur Aufklärung von Internetbetrug und Falschmeldungen gibt es einige Plattformen. Eine besonders zuverlässige und gut recherchierte Seite ist Mimikama (https://www.mimikama.at/
Dass Mailanhänge nicht geöffnet werden sollten, wenn der*die Absender*in dubios erscheint oder Spamverdacht wegen Geldversprechen o.ä. besteht, dürfte sich inzwischen herumgesprochen haben, kann aber nicht oft genug erwähnt werden. Schließlich hat sich Prenskys (2001) Hoffnung, dass wir alle als Digital Natives zur Welt kommen und quasi automatisch Kompetenzen im Umgang mit Medien erwerben würden, nicht erfüllt (siehe Einheit Medien.Gesellschaft).
Zum Lernen über Medien gehören zudem Aspekte wie: Wie findet man OER-Materialien, die zur Weiternutzung unter einer CC-Lizenz freigegeben sind? Und wie zitiert man sie? Wie vermeidet man Plagiat (s.o.) und weitere Fragen des Urheberrechts. Details hierzu sind Gegenstand der Einheit Medien.Gestaltung und werden an dieser Stelle nicht vertiefend erörtert. Ein gewisser Überblick über das Themenspektrum ist jedoch auch an dieser Stelle nötig, um aufzuzeigen, dass der Erwerb einer medienkritischen Haltung eine ganz andere Art von Mediendidaktik erforderlich macht als bspw. der Erwerb von Bedienkompetenz. Bei der Vorstellung fachlicher Software und der Erläuterung ihrer Funktionalitäten handelt es sich um kognitive Wissensbestände, die auswendig gelernt und wiedergegeben werden können. Dies gilt z.T. auch bei Lerngegenständen aus dem Feld »Lernen über Medien«, z.B. bei den Weiternutzungsoptionen von Grafiken unter CC-BY-Lizenzen (siehe Einheit Medien.Gestaltung).
Im Gegensatz dazu sind alle Aspekte, die auf eine medienkritische Haltung abzielen, nicht über Präsentationen und späteres Auswendiglernen abzudecken. Beispiel: Für den Aufbau einer medienkritischen Haltung braucht es z.B. Erfahrungsberichte (bspw. von Personen, die von Datenkraken ausspioniert wurden), Fallbeispiele mit Critical Incidents (z.B. Fotomontagen mit Wirklichkeit verzerrenden Aussagen) oder Analysen der biografischen Entwicklung eines mediensüchtigen Kindes. Diese Erfahrungen könnten z.B. in Kleingruppen diskutiert und später im Plenum kritisch reflektiert werden. Durch eigene Erfahrungen, über AHA-Effekte, durch das Nachempfinden der Erfahrungen Dritter sowie durch interaktive und handlungsorientierte Aufgaben können reflexive Prozesse ausgelöst werden. Es können bspw. auch selbstreflexive Prozesse bezüglich des eigenen Mediennutzungsverhaltens angeregt werden. Ziel ist dabei, Lernprozesse auf höheren Lernzieltaxonomiestufen nach Bloom anzuregen – also abstrakteres Wissen. Hier zeigt sich nun deutlich der Unterschied in Bezug auf Didaktik:
- Während für den Erwerb von Faktenwissen und die spätere Abfrage von Wissensbeständen der Einsatz von Apps geeignet sein kann – mit Multiple Choice Aufgaben, Lückentexten oder Zuordnungsaufgaben,
- kann der Erwerb einer medien kritischen Haltung durch dieselben Aufgabenformate weder befördert noch abgeprüft werden.
Dies zeigt übrigens auch deutlich den Zusammenhang zwischen Lerngegenstand, zu wählender Vermittlungsmethode und späterer Prüfungsmethode.
Take Home Message
Digitale Medien stellen eine große Chance für Lehr-Lernszenarien dar, jedoch sollten auch die damit verbundenen Herausforderungen kritisch reflektiert werden (Entwicklung einer medienkritischen Haltung).
Stop and Think
Wo liegt bei didaktischen Planungen der Unterschied zwischen der Vermittlung von ›inhaltlichen Fachthemen‹ als Lerngegenstand und ›Medien‹ als Lerngegenstand?
Wir halten fest: Es ist Aufgabe des*r Lehrenden, jeweils Aufgaben und Vermittlungsformate zu konzipieren, die dem Inhalt angemessen sind. Ist das Ziel, im Unternehmen Fachthemen – z.B. Abläufe im Produktionsprozess – vorzustellen, sind eher darbietende, eng geführte Präsentationsmodi geeignet. Geht es darum, das Medienkonzept in der eigenen Institution zu entwickeln, braucht es offene diskursive Formate wie z.B. Brainstorming. Dabei ist es zunächst sekundär, ob das diskursive Format ›Brainstorming‹ dann klassisch-analog als Dialog zwischen Moderierender*m und Gruppe durchgeführt oder unter Einsatz digitaler Medien, wie z.B. Mindmappingsoftware umgesetzt wird (siehe Einheit Medien.Gesellschaft). Der Inhalt sollte also die Methode bestimmen. Die Frage, ob die Vermittlungsmethoden digital-medial unterstützt werden oder nicht, ist »nur« eine Frage des Vermittlungskanals. Hier wäre der Schluss »je medialer, desto besser« ein Irrtum! Wo Medien als Transportmittel einer Nachricht sinnvoll sind, da sollten sie auch genutzt werden; wo sie ablenken und mehr Arbeit schaffen, als Hilfe zu sein, kann ggf. auch auf Paper-Pencil
Take Home Message
Es ist zu hinterfragen, für welche Lerngruppe, Ziele und Inhalte und Orte der Medieneinsatz geplant wird.