Text: Medien.Gesellschaft
2.5 Neue Medien – Neue Machtverhältnisse?
Aber nicht nur die ungleichen Zugangsmöglichkeiten verhindern eine gleichberechtigte Teilhabe. Andreas Reckwitz spricht von einem »Matthäus-Effekt der ungleichen Aufmerksamkeit«, da diejenigen, die bereits zuvor eine hohe Aufmerksamkeit erhielten, noch mehr Öffentlichkeit bekämen. Dies werde zusätzlich von technischen Prozessen wie bspw. Algorithmen weiter gefördert, da diese bereits vielfach geklickte und gelikte Beiträge vermehrt ausspielten. So entstünden »digitale Winner-take-all-Märkte« [Hervorhebung der Verfasserinnen] (Reckwitz 2017: 253). Mit Blick auf die von Stalder beschriebene Herausbildung von Bedeutung wird deutlich, dass in einer digitalen Welt diejenigen gestalten können, die die Aufmerksamkeit auf sich lenken können.
Ähnlich sieht es aus, wenn man die algorithmischen Auswertungsprozesse von Big Data vor dem Hintergrund der Teilhabe betrachtet. Hier entscheiden einzelne Institutionen bzw. Personengruppen, wie die gesammelten Daten verarbeitet und ausgewertet werden und welche Konsequenzen daraus gezogen werden, ohne dass der Großteil der Bevölkerung Einblick in diese Entscheidungen hat. Damit sitzen diejenigen mit Zugang zu den Daten am längeren Hebel und »erschaffen ein Bild der Welt, das ihren Auslese- und Verarbeitungsoperationen entspricht, von uns aber gern als ein Abbild der Realität verstanden wird« (Mau 2017: 42). Ein Beispiel hierfür ist der erlebbare Rechtsruck der Diskussionen auf der Kommunikationsplattform X (ehemals Twitter), der mit der Übernahme der Plattform durch Elon Musk einhergeht.
Literatur- und Web-Tipp
Spannende Impulse dazu, inwiefern sich trotz der zahlreichen Partizipationsmöglichkeiten, die das Internet mit sich bringt, die Gesellschaft immer stärker in »partikulare Communities« aufspaltet, kann man bei Andreas Reckwitz (2017) nachlesen.
Take Home Messages
- Das Internet ermöglicht umfassende Beteiligung durch Foren, Blogs und Social Media. So können bspw. ethnische Minderheiten sichtbarer werden (vgl. Einheit Medien.Identität).
- Digitale Technologien schaffen Raum für Partizipation unabhängig von Gatekeepern.
- Nicht alle können gleichermaßen partizipieren.
- Unter Digital Divide versteht man die Kluft zwischen Menschen, die Zugang zu digitalen Technologien haben, und denjenigen, die keinen Zugang haben oder weniger von der Nutzung der Medien profitieren können.
- Der Digital Divide betrifft bspw. Personen mit schwachem sozioökonomischem Hintergrund, physischem Zugangsproblem und Unterstützungsbedarf.
- Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz und die inklusive Medienbildung sollen diese Kluft mindern.
- Das Erreichen von Aufmerksamkeit im digitalen Raum verstärkt bestehende Ungleichheiten, insbesondere durch Algorithmen.