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    • Andreas Gyphius: Cathatina von Georgien. Trauerspiel, hg. v. Alois M. Haas, Stuttgart: Reclam 2020.Folgt man den Aufzeichnungen von Baltzer Siegmund von Stosch, dem ersten Biographen von Andreas Gryphius, so wurde das Drama „Catharina von Georgien“ schon ein Jahr nach dem „Leo Armenius“ (1650) fertiggestellt (vgl. Stosch 1665, S. 37). Erschienen ist es dann 1657. Beide Dramen stützen sich auf historische Ereignisse: Im „Leo Armenius“ steht der Sturz des byzantinischen Kaisers Leo V. aus dem 9. Jahrhundert und in der „Catharina von Georgien“ das Schicksal der georgischen Königin Catharina, die im Jahr 1624 vom iranischen Schah Abbas I. hingerichtet wurde, im Zentrum. Inhaltlich hat sich Gryphius an der „Histoires tragiques de nostre temps“ von Claude Malingre orientiert, während er sich formal nach Nicolas Caussin oder Joost van den Vondel richtete. Aufgrund des niederländischen Einflusses ist das Stück u.a. in Abhandlungen und Reyen eingeteilt. Dem geschichtlichen Stoff bleibt Gryphius weitestgehend treu, wobei er beispielweise Catharina gleich zu Beginn als fromme Christin beschreibt, obwohl sie sich erst vor ihrer Hinrichtung als gläubige Katholikin darstellt. Gryphius legt folglich den Schwerpunkt auf  Catharinas Martyrium (vgl. Harst 2016, S. 204-205 und Brenner 2011, S. 37-38). In der Forschung wird Gryphius „Cathrina von Georgien“ als Grundmodell für Märtyrerdramen dieser Zeit betrachtet, in welchem die Tugendidee des christlichen Neostoizismus mit der Vorstellung von der Vereinigung von Mensch und Gott als ‚via purgativa‘ kombiniert wird (vgl. Eke 2014, S. 37).

      Nicola Kaminski hält fest, dass das Stück im Gegensatz zum „Leo Armenius“ eindeutige Aussagen trifft, indem beispielsweise die Dramenhandlung einem strengen moralischen Zweck dient, der den Vorgaben der aristotelischen „Poetik“ folgt (vgl. Kaminski 1998, S. 98). Nach Aristoteles wird in der Tragödie durch die Erzeugung von Mitleid (‚eleos‘) und Furcht (‚phobos‘) eine Reinigung von den Affekten/Leidenschaften (‚katharsis‘) bewirkt. Im 17. Jahrhundert wurde diese Wirkungsabsicht der Tragödie christlich-moralisch gedeutet, sodass man eine Reinigung der Affekte durch die Demonstration der Vergänglichkeit (‚vanitas‘) oder des Glückwechsels (‚fortuna‘) des Irdischen  herbeiführen wollte. Dabei sollte dem Publikum auch der christliche Trost (‚consolatio‘) vor Augen geführt werden, dessen Fundament u.a. die Idee der stoischen Beständigkeit (‚constantia‘) bildete. Schicksalsschlägen, wie sie dem Publikum in der „Catharina“ vor Augen geführt werden, sollte mit Beständigkeit begegnet werden (vgl. Aurnhammer/Detering 2019, S. 188). Damit wird die Konzentration auf das Jenseits statt auf das Diesseits gelegt: Im Gegensatz zu Cach Abbas kontrolliert Catharina beständig ihre Affekte und erlangt so das Himmelreich.

      Michael Heidgen, Karima Lanius
    • Textgrundlage:

      Andreas Gyphius: Cathatina von Georgien. Trauerspiel, hg. v. Alois M. Haas, Stuttgart: Reclam 2020.