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    • Daniel Caspar von Lohenstein: Sophonisbe. Trauerspiel, hg. v. Rolf Tarot, Stuttgart: Reclam 2012.Daniel Casper von Lohensteins „Sophonisbe“  wurde im Mai 1669 am Elisabeth- bzw. Magdalenen-Gymnasium in Breslau uraufgeführt. Im Deutschland der Frühen Neuzeit fehlt im Gegensatz zu Spanien, England oder den Niederlanden eine homogene Entwicklung des Theaters, und so waren es der fürstliche Hof oder die Schule, in denen Dramen auf die Bühne kamen (vgl. Rohls 2021, S. 524). Aus diesem Grund werden Lohensteins Dramen auch als Schulstücke bezeichnet.

      Um die Dramenkultur des 17. Jahrhunderts als Selbst- und Weltvergewisserung verstehen zu können, ist es aufschlussreich, sich zuerst den lebensweltlichen Horizont der Zeit zu vergegenwärtigen: Es ist die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, der ursprünglich als Auseinandersetzung zwischen Protestanten und Katholiken begann, aber dann in einen Hegemonial- oder Territorialkrieg ausartete. Daneben ist die Frühe Neuzeit von der Gegenreformation, der Hexenverfolgung und gleichzeitig von neuen Entdeckungen in Naturwissenschaft bzw. Mathematik geprägt. Es bildete sich ein antithetisches oder dualistisches Weltbild heraus: Diesseits und Jenseits sind als zwei Seiten einer höheren, göttlich garantierten Ordnung aufeinander bezogen. Dieses Weltbild des 17. Jahrhunderts ist einerseits die theatral vermittelte Mahnung, seine Tage zu nutzen (‚carpe diem‘), und andererseits Auftrag zum Affektmanagement. Die Kontrolle der Leidenschaften im Diesseits wird durch Freuden im Jenseits aufgewogen. Die diesseitige Welt wird als bloße Frist im Übergang zum eigentlichen jenseitigen Dasein verstanden. Das diesseitige Dasein kann in diesem Sinne als eine Bühne betrachtet werden, auf die die Menschen gestellt sind. Das Bild dieses Welttheaters (‚theatrum mundi‘) beinhaltet Trost und Mahnung zugleich. Alles Weltliche – seien es Schmerzen, seien es Freuden – ist vorübergehende Eitelkeit (‚vanitas‘), womit gleichzeitig die eigene Sterblichkeit veranschaulicht wird (‚memento mori‘). Es kommt nun u.a. dem Drama zu, diesen „essenziell theatralen Charakter der Welt“ zu veranschaulichen (Niefanger 2012, S. 232).

      Dieser ‚theatrale Charakter‘ spiegelt sich auch im Trauerspiel „Sophonisbe“ wider, wobei Lohenstein in seiner Gefühlsdarstellung der Charaktere durchaus komplex ist: Die Affekte sind für Lohenstein „weder Laster noch Tugenden; also nicht per se negativ oder positiv konnotiert, sondern eingebunden in einer vernunftgeleiteten, intentionalen Motivationsdynamik. Allein der Grad eines (un)vernünftigen Umgangs mit den Affekten bestimmt über ihre Bewertung, kann gelobt oder getadelt, kann für ‚Greuel und Unglück‘ oder für tapfere und kluge ‚Entschlüssungen‘ verantwortlich gemacht werden.“ (Meyer-Kalkus 1986, S. 39) Bei der Kontrolle der Affekte geht es folglich nicht nur um das Erreichen einer stoischen Leidenschaftslosigkeit.

      Darüber hinaus zeichnet sich bei Lohensteins Schulstücken ein anderes Geschichtsverständnis ab, da diese nicht mehr für eine eindeutige (moralische) Aussage stehen. Das liegt u.a. daran, dass der Handlungsverlauf nicht mehr ausschließlich im religiösen Sinn, sondern auch als Ergebnis politischer Handlungen gedeutet wird. In der „Sophonisbe“ wird die historische Wahrheit beispielsweise problematisiert, indem politische Positionen eingehend thematisiert werden (vgl. Niefanger 2000, S. 147 und vgl. Brenner 2011, S. 41-42).

      Michael Heidgen, Karima Lanius
    • Textgrundlage:

      Daniel Caspar von Lohenstein: Sophonisbe. Trauerspiel, hg. v. Rolf Tarot, Stuttgart: Reclam 2012.