• Hinweis:
      Voraussetzung für die Bearbeitung der großen Schreibaufgabe „Heiligkeit und Geschlecht” ist die Bearbeitung der Aufgaben „Marina-, Margareta- und Euphrosynalegende” und „Euphrosyna- und Alexiuslegende” in 4.4, ferner die Lektüre der einführenden Erläuterungen und des Aufsatzes von Kasten. (Vgl. hierzu auch die Präsentation 4.2. „Vor der Lektüre“, Folien 10-11, 13 und 15-16.)


       

    • Einführende Erläuterungen zur großen Schreibaufgabe:

      1. Wertordnungen: Es ist keineswegs so, dass ein einheitliches Wertesystem für die mittelalterliche Kultur in Gänze prägend war. Vielmehr ist es wichtig, sich klar zu machen, dass zumindest höfisch-weltliche Werte einerseits und religiöse Werte andererseits zu unterscheiden sind (und diese dann in den Texten jeweils noch ganz unterschiedlich verhandelt werden können). Zum Teil gibt es hier Überschneidungen, zum Teil aber auch einander entgegengesetzte Werte. Für weltliche (adelige) Herrschaft ist es zum Beispiel notwendig, dass sie sich u.a. in öffentlich sichtbarer Prachtentfaltung, in der ostentativen, verschwenderischen Freigebigkeit des Herrschers (die etwas ganz anderes ist als das Almosen, das gerade nicht gezeigt werden soll) und im Zeigen adeliger körperlicher Schönheit manifestiert und legitimiert; sie ist ferner auf genealogische Kontinuität (und damit den Vollzug der Ehe) und auf legitime Formen herrscherlicher Gewalt angewiesen. Höfische Literatur entfaltet darüber hinaus programmatisch höfische Zentralwerte wie Ritterschaft und höfische Liebe, die zum einen einen gesellschaftlichen Wert darstellt, zum anderen aber immer auch auf sexuelle Erfüllung hin angelegt ist.

      Solche in höfischer Literatur positiven Werte stehen zum Teil in deutlichem Widerspruch mit religiösen Werten wie freiwillige Armut, Demut und Erniedrigung, Entsagung, Unterordnung und Enthaltsamkeit. Heiligenlegenden, insbesondere Asket:innenlegenden, erzählen häufig gerade von den Reibungen und Spannungen, wenn diese unterschiedlichen Wertewelten miteinander enggeführt werden und in Konflikt geraten. Askese kann – in ganz vielfältigen Ausprägungen – generell als Negation allgemeingültiger sozialer Normen, Werte und Praktiken gefasst werden; als Negation, die im Sinne der Umwertung aller Werte selbst in hohem Maß sinnkonstituierend und identitätsstiftend ist.

      Grundsätzlich gilt in der mittelalterlichen Kultur jedoch nicht das eine Wertedenken als falsch und das andere als richtig – es kommt entscheidend darauf an, ob man sich mit Texten des höfisch-weltlichen Diskurses oder des religiösen Diskurses befasst. Zudem gibt es Texte, die einen bewusst hybriden Charakter haben und sich diesbezüglich nicht auf einen Wertediskurs festlegen (vgl. hierzu: Müller, Höfische Kompromisse, S. 117-123).

      2. ‚Geschlecht‘ (‚gender‘): Geschlechtsidentät ist immer kulturell konstruiert und betrifft die gesamte soziale Identität. Als kulturelle Konstruktion ist sie historischem Wandel unterworfen. Hier ist es besonders wichtig, die Werte und (auch unwillkürlichen) Wertungen der eigenen Zeit und Kultur nicht auf eine vergangene Kultur bzw. ihre literarischen Konzeptionierungen von Geschlecht zu übertragen. Mittelalterliche Texte unterscheiden sich in Vorstellungen und Inszenierungen von Geschlechtsidentität zum Teil stark von neueren literarischen Texten.

    • Erschließungsfragen Lektüre (Vorbereitung zur großen Schreibaufgabe „Heiligkeit und Geschlecht“):

      Lesen Sie nun den Aufsatz von Ingrid Kasten: Gender und Legende, in: Bennewitz, Ingrid u.a. (Hgg.), Genderdiskurse und Körperbilder im Mittelalter. Eine Bilanzierung nach Butler und Laqueur, Münster u.a.: LIT Verlag 2002, S. 199-219.

      Bearbeiten Sie den Text mithilfe von Cornell Notes. Eine Vorlage finden Sie in dieser Datei.
       
      Weitere grundlegende Informationen zu Cornell Notes erhalten Sie im nachfolgenden Video:
       
       

       

    •  Geschlecht in Heiligenlegenden

      Halten Sie in Stichworten fest: Was ist unter Geschlecht (Gender) zu verstehen, was kann der Begriff alles umfassen? Welche Bedeutungsdimensionen kann nach Kasten Geschlecht in Heiligenlegenden haben?

    •  Heiligkeit und Geschlecht

      Wie erzählen die Margareta-, Euphrosyna- und Alexiuslegende von Heiligkeit, und von welcher ‚Leistung‘ der bzw. des Heiligen erzählen sie? Welche Bedeutung hat die Geschlechtsidentität im Sinne von Weiblichkeits- und Männlichkeitsmodellen in diesem Zusammenhang? 

      Berücksichtigen Sie bitte die folgenden Teilfragen, die Einzelaspekte der Schreibaufgabe ansprechen und die Ihnen bei der Bearbeitung helfen können.

      • Worin besteht die jeweilige ‚Leistung‘ der weiblichen und des männlichen Heiligen, und wie erzählt der Text davon?
      • Wie wird von der Relation zwischen der/dem Heiligen und ihrer/seiner sozialen Herkunftswelt und Sippe erzählt?
      • Wie thematisieren sie die Geschlechtsidentität im Sinne von Weiblichkeits- und Männlichkeitsmodellen? (Achten Sie hierbei auch auf die Verwendung des Personalpronomens – Femininum oder Maskulinum –, z.B. in der Margaretenlegende.)
      • Welche Bedeutung erhalten dabei Körper und körperliche Zeichen der jeweiligen Heiligenfigur?
      • Welche Bedeutung hat die Verleugnung des Geschlechts?

       

      Ergebnis dieses breiteren Blicks auf den Themenkomplex soll ein argumentativ zusammenhängender Text sein (ca. 2500 Wörter). Belegen Sie Ihre Ausführungen an den jeweiligen Texten und weisen Sie die von Ihnen verwendete Forschungsliteratur korrekt nach. Achten Sie unbedingt auch auf Rechtschreibung, Grammatik und Zeichensetzung.