(Inklusive) Didaktik - was ist das?

"Im Zuge der Auseinandersetzung um eine inklusive Schulentwicklung wurden in den letzten Jahren vermehrt auch explizit (fach‑)didaktische Fragen in Bezug auf die Herausforderungen eines inklusiven Unterrichts thematisiert (vgl. Amrhein und Dziak-Mahler 2014; Klauß 2014; Musenberg und Riegert 2015; Simon 2019; Werning und Avci-Werning 2016).

So stellen z. B. Musenberg und Riegert (2015, S. 16) fest, dass im Zusammenhang mit der Gestaltung von inklusivem (Fach-)Unterricht oft der Eindruck vermittelt worden sei, „das Gelingen schulischer Inklusion sei in erster Linie eine Frage der (richtigen) Haltung und Einstellung: ‚Anerkennung und Wertschätzung von Vielfalt‘, ‚Heterogenität als Chance‘, ‚alle Kinder willkommen heißen‘“. Diese „schlagwortartig vorgetragenen und normativ aufgeladenen Forderungen an die Lehrkräfte“ (ebd.) seien zunächst auch als ausreichende Antwort auf (fach‑)didaktische Fragestellungen erachtet worden, obwohl sie kaum Anhaltspunkte lieferten, wie eine konkrete Vermittlung von Unterrichtsinhalten in heterogenen Lerngruppen vonstattengehen könne (vgl. ebd.). Die Autor:innen zeigen damit eine wesentliche Leerstelle im fachdidaktischen Diskurs um die Umsetzung eines inklusiven (Fach‑)Unterrichts auf – die fachlich individuell zu konkretisierende Unterrichtsgestaltung." (Eckert und Liebsch 2020, S. 76)

"Den gedanklichen Rahmen der Auseinandersetzung bildet folgende grundlegende Auffassung von Didaktik: Didaktik als Theorie und Praxis verzahnende Handlungswissenschaft geht – auch in inklusiven Settings – miteinander verknüpften Fragen nach, die sich zwei entscheidenden Bereichen von Lehr-Lern-Prozessen zuordnen lassen (vgl. Jank und Meyer 2014, S. 16):

a) Zieldimension: Wer lernt etwas? Was soll gelernt werden? Wozu soll etwas gelernt werden?

b) Wegdimension: Wann soll etwas gelernt werden? Wie soll etwas gelernt werden? Von wem soll etwas gelernt werden? Mit wem soll etwas gelernt werden? Womit soll etwas gelernt werden?

Folgt man der Definition für inklusiven Fachunterricht von Musenberg und Riegert (2015, S. 24), deutet sich der Kontext an, in dem sich das didaktische Handeln von Lehrkräften vollzieht: „Inklusiver Fachunterricht unterbreitet fachbezogene Bildungsangebote für alle Schülerinnen und Schüler und ermöglicht individuelle Lernfortschritte und subjektiv sinnvolle Teilhabe an gemeinschaftlich erlebten Unterrichtsangeboten.“

Durch planvolles didaktisches Handeln schaffen Lehrer:innen geeignete Lerngelegenheiten für alle Mitglieder einer Lerngruppe. Die Zieldimension (Wer lernt was?) wird unter dieser Prämisse mit der Wegdimension (Wie kann eine optimale Vermittlung dessen gewährleistet werden?) verknüpft, wobei die individuellen Lernvoraussetzungen der Schüler:innen dabei als „zentrale Bestimmungsmomente der differenzierten Unterrichtsgestaltung“ (ebd.) gelten und zu den „fachdidaktischen Ansprüchen des Unterrichtsfaches in Beziehung gesetzt“ (ebd.) werden .

Vor dem Hintergrund dieser für eine gelingende Inklusion entscheidenden Bedingung stellen u.a. (Binnen-)Differenzierung und Individualisierung geeignete didaktische, methodische und organisatorische Maßnahmen dar, mit denen Lehrende adaptiv auf die unterschiedlichen Lernbedürfnisse der Lernenden reagieren können (vgl. Vock und Gronostaj 2017, S. 65)." (Eckert und Liebsch 2020, S. 77)