Klassen-"Führung" – Spannungsfelder im Umgang mit heterogenen Schulklassen

Spannungsfeld 1: Lehrkräftezentrierung vs. Schüler:innenpartizipation

"Wird – wie im Projekt FDQI-HU – Partizipation u.a. als „gestaltende Teilhabe aller Lernenden in Schule und Unterricht ohne Ausschluss“ (Simon & Pech 2019, S. 40) definiert, muss die Nutzung des Begriffs Klassenführung hinterfragt werden: Während nämlich eine Führung eine klare Hierarchie und damit die Kommunikationsrichtung von der Lehrkraft zu den Schüler:innen vorgibt (vgl. auch Autonomieantinomie nach Helsper 2021, S. 172), impliziert z.B. die gemeinsame Gestaltung von Unterricht eine „Beteiligung aller an Entscheidungen – auch in Bezug auf die Inhalte und die Anlage von Unterricht“ (ebd., S. 41), was eine deutliche Diskrepanz zwischen der im Begriff angelegten Lehrkräftezentrierung und einer breiten Schüler:innenpartizipation eröffnet. Zur begrifflichen Weiterentwicklung bezeichnen z.B. Fischer und Kolleg:innen (2014) die ursprünglich von Helmke und Weinert (1997) so benannte „Klassenführungskompetenz“ als „Kommunikative Kompetenz“: „Neben dem Wissen über Klassenführung sind in inklusiven Settings v.a. Kenntnisse über Beratung, Coaching, Mentoring sowie über Teamarbeit wesentlich“ (Fischer et al. 2014, S. 18), was eine deutliche Öffnung bis hin zur Ablehnung des Führungs-Begriffs impliziert.

Im Rahmen dieses Spannungsfeldes ist auch die Balancierung zwischen unterrichtlicher Offenheit und lernförderlicher Struktur für individuelles Lernen relevant, wie Textor, Kullmann und Lütje-Klose (2014) anhand einer Interviewstudie herausarbeiten: „Aus der Perspektive der Lehrkräfte ist Individualisierung mit einem speziellen Balanceakt verbunden: Der Balance zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit, Offenheit und Struktur“ (ebd., S. 80). Dafür sei Brüning (2015, S. 12) zufolge insbesondere „ein hohes Maß an Klassenführungskompetenz notwendig […]. Denn differenzierender oder gar individualisierender Unterricht lässt sich nur dann realisieren, wenn innerhalb der Klassen der Lernprozess weitgehend störungsfrei erfolgen kann.“ Demnach ist in inklusiven Settings dem Spannungsverhältnis zwischen Lehrkräftezentrierung (s.o.) bzw. Dominanz der Lehrkraft (Kunter & Trautwein 2013, S. 83) und Schüler:innenpartizipation produktiv zu begegnen, sodass einerseits eine lernförderliche Strukturierung, andererseits eine Flexibilisierung des Unterrichts möglich ist. Umgesetzt werden kann dies etwa, indem kommunikative, kooperative Arbeitsformen im Rahmen klarer Abläufe und Erwartungen geschaffen werden." (Frohn et al., i.E.)