5.6 Gesundheitliche Risiken

Nutzer*innen nehmen die Folgen exzessiver Mediennutzung anhand körperlicher Symptome deutlich wahr. Teilweise hat die Mediennutzung aber auch soziale Folgen. Mit anderen Worten: Neben den physischen Auswirkungen gibt es ebenfalls soziale Risiken für die Identitätsbildung. Schauen wir zunächst auf die körperlichen Symptome:

  • Ein Drittel der Befragten bemerkt nach mehrstündiger Nutzung digitaler Geräte Nackenschmerzen (32,1 Prozent), trockene oder juckende Augen (23,4 Prozent), Schmerzen im Unterarm oder der Hand (16,9 Prozent) (DAK-Studie: In Pandemie hat sich Mediensucht verdoppelt | DAK-Gesundheit, vgl. forsa, 2022).
  • Auch von Schlafproblemen nach übermäßigem Medienkonsum wird vermehrt berichtet: Bei einer Untersuchung von 148 Jugendlichen und jungen Erwachsenen (14-20 Jahre) zeigte sich, dass das Handy bis kurz vor dem Einschlafen genutzt wird (ca. zehn Minuten vor dem Zubettgehen) und dies zu einer Tagesschläfrigkeit führt, da Jugendliche nachts gewollt oder ungewollt durch Nachrichten geweckt werden (vgl. Strube/In-Albon/Weeß 2016).

Darüber hinaus gibt es, wie oben angedeutet, Herausforderungen psychischer Natur, die Folgen für die Identitätsbildung haben. Besonders im Bereich der frühkindlichen Erziehung muss Mediennutzung gut begleitet werden, wie medienkritische Studien immer wieder zeigen:

  • Bezüglich des angenommenen Zusammenhangs zwischen Bildschirmzeit und Sozialkompetenz arbeiten Skalická et al. (2019) bspw. heraus, dass mehr Fernsehkonsum bei Mädchen im Alter von vier Jahren zu einem geringerem Verständnis von Emotionen im Alter von sechs Jahren führt.
  • Kinder, deren Eltern täglich mit ihnen spielen, entwickelten im Alter von zwei Jahren etwas weniger autismusähnliche Symptome als Kinder, die sich mehr mit Bildschirmmedien beschäftigen (vgl. Heffler et al. 2020).
  • Ein anderes Team von Forschenden arbeitet die positiven Auswirkungen zurückhaltenden Medienkonsums heraus: Kindern mit weniger Bildschirmzeit wurde demnach eine höhere Vorstellungskraft bescheinigt (vgl. Suggate/Martzog 2020).
  • Shensa et al. (2018) stellen einen Zusammenhang zwischen Depressionen und Social-Media-Verhalten her, wobei offen ist, ob Social Media einen ursächlichen oder verstärkenden Einfluss auf vorhandene Dispositionen ausüben.
  • Lup/Trub/Rosenthal (2015) weisen ein erhöhtes Risiko von Depressionen durch verzerrte Realitätsbilder bei Instagram und den dadurch stattfindenden Vergleich von sich selbst mit Unbekannten im Netz nach. Demnach können depressive Züge u.a. dadurch entstehen, dass ein Vergleich mit medialen Idolen der Realität nicht standhalten kann.

Self-Tracking-Daten aus dem Sportbereich können »Gesundheit« und »Wohlbefinden« beeinflussen, indem die generierten metrischen Daten Druck aufbauen, normativen Erwartungen zu entsprechen. Medial vermittelte Körperbildung kann durch die Auseinandersetzung mit Gesundheitsinhalten in sozialen Netzwerken zu Unzufriedenheit mit der eigenen Figur und Körperlichkeit führen und »falsche« Schönheitsideale generieren (vgl. Holland/Tiggemann 2017: 78). Insgesamt soll aber warnend darauf hingewiesen werden, dass die Debatte politisch aufgeladen ist und Ergebnisse nicht immer objektiv, valide und reliabel sind, bzw. nicht immer korrekt und unverfälscht wiedergegeben werden. Die oben beschriebenen Folgen können, müssen aber nicht zwangsläufig auftreten.

Pathologische Sucht bedarf einer Therapie und lässt sich nicht ohne professionelle Hilfe bearbeiten. Wer dem Always on, also dem Druck immer online zu sein, jedoch präventiv entgehen möchte, kann bewusst gegensteuern: Unter dem Schlagwort Digital Detox werden z.B. mobilfunkarme Urlaubsunterkünfte vermarktet. Mit dem Ziel, zu entschleunigen und zu »entstressen«, verschreiben sich – insbesondere während der Fastenzeit – mehr und mehr Personen dem sogenannten Medienfasten, um die Medienbalance zu finden. Ein Tagebucheintrag mit Selbstbeobachtung bietet die Möglichkeit, das eigene Mediennutzungsverhalten wahrzunehmen und zu reflektieren. Unter der Leitung von Schwarz und Martin vom Gerhard-Kienle-Lehrstuhl der Universität Witten/Herdecke wurden gemeinsam mit Fischbach und Büsching vom Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte sowie weiteren 50 Expert*innen für den Bereich Kindheit Ideen zur gezielten Bildschirmzeit entwickelt. Am wissenschaftlich begleiteten Pilotprojekt »Medienfasten« nahmen 1500 Familien teil, um das eigene Mediennutzungsverhalten kritisch zu hinterfragen.

Literatur- und Web-Tipps

Mehr Infos zum Thema Medienfasten finden Sie z.B. auf der Website von Schwarz/Martin (o.J.). 
Abschließend sei noch auf folgende Ideen verwiesen: Für Kinder, die den Umgang mit dem Smartphone noch erlernen müssen, bieten sich präventive Maßnahmen wie z.B. ein Mediennutzungsvertrag an. Eltern sollten Kinder nicht nur interessiert begleiten, sondern sich insbesondere zeigen lassen, welche Tools, Spiele oder Apps diese nutzen. Der gemeinsame Austausch darüber kann Verständnis für die kindlichen Intentionen wecken. Zudem sollten Eltern sich ihrer Vorbildrolle bewusst sein und ihr eigenes Mediennutzungsverhalten ebenfalls kritisch hinterfragen.

Take Home Messages
  • Exzessiver Medienkonsum kann nicht nur körperliche Folgen haben, sondern auch Auswirkungen auf die Psyche und die Identität.
  • Die Reflexion des eigenen Medienverhaltens und Medienfasten können bei ungesundem Medienkonsum Abhilfe schaffen.
Stop and Think
  • Haben Sie bereits an physischen Folgen eines überhöhten Medienkonsums gelitten? Woran können Sie das bei sich erkennen?
  • Haben Sie bereits an den sozialen Folgen eines überhöhten Medienkonsums gelitten?
  • Falls Sie einen erhöhten Medienkonsum bei sich wahrnehmen: Wie wollen Sie künftig bewusst gegensteuern?
  • Führen Sie eine Woche ein Medientagebuch, in dem Sie alle Nutzungszeiten realistisch dokumentieren.
  • Wenn Sie keinen überhöhten Medienkonsum hatten: Worauf führen Sie das zurück? Wie könnten Sie daran arbeiten, dass das auch künftig so bleibt?